Das Spritzen von Schädlingsbekämpfungsmittel ist nur eine kurzfristige Scheinlösung. – Foto: AbL/Gehrmann

Landwirtschaft & Ernährung

Ökolandbau ist der größte Hebel für den Artenschutz

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Landwirtschaft und Artenschutz sind keine Gegensätze. Denn die Landwirtschaft profitiert von intakten Ökosystemen. Eine Kurskorrektur ist deshalb dringend nötig: weg von einer zunehmend industrialisierten Landwirtschaft hin zu einer bäuerlichen und biologischen. Dafür muss aber die Politik den Rahmen schaffen.

von Josef Schmid

 

Für alle überraschend verkündete am 3. April 2019 der bayerische Ministerpräsident Markus Söder die vollständige Übernahme des im Volksbegehren vorgelegten Gesetzentwurfs durch die Bayerische Staatsregierung. Am Abend beim Maibockanstich sagte er: „Heute haben wir die Bienen gerettet. Die Bauern gerettet. Uns selber auch.“

Letzteres war wohl der Hauptgrund für die überraschende Aktion, denn mit der Annahme hatte er das Thema zur Europawahl vom Tisch. Die Alternative, ein Gegenvorschlag zum Volksbegehren, hätte wesentlich mehr Anstrengung verlangt. Und der hätte so gut sein müssen, dass auch die Initiatoren des Volksbegehrens den Wählern beim Volksentscheid empfehlen, für den Vorschlag der Regierung zu stimmen.

 

AbL unterstützte Artenschutz-Volksbegehren

Doch zurück zum Anfang. Die Vorstandschaft der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ (AbL) hatte beschlossen, das Volksbegehren zu unterstützen. Nach reiflicher Diskussion waren wir zur Erkenntnis gekommen, dass die Artenvielfalt und funktionierende Ökosysteme von existenzieller Bedeutung für die Landwirtschaft sind.

Auftretende „Unkräuter“, Schädlinge und Krankheiten seien auf das Fehlen natürlicher Gegenspieler zurückzuführen und somit als Störung der natürlichen Selbstregulierungskräfte zu betrachten. Der Einsatz chemischer Mittel kann hier nur vordergründige Erfolge bringen, da die Ursachen nicht abgestellt und auch Nützlinge dezimiert werden. Zudem verursacht jeglicher Einsatz von Chemikalien früher oder später Resistenzen bei den getroffenen Organismen und in der Folge den Ruf nach neuen, stärkeren Mitteln.

Die Entscheidung, als einzige landwirtschaftliche Organisation das Volksbegehren zu unterstützen, löste nicht bei allen unseren Mitgliedern Begeisterung aus. Einige kündigten auch, was allerdings durch mindestens genauso viele Neumitglieder ausgeglichen wurde.

Die „traditionelle bäuerliche Interessenvertretung“ wollte ursprünglich dem Volksbegehren nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken, um nicht auch noch Werbung dafür zu machen. Durch Anrufe aufgeregter Mitglieder ließ man sich letztlich doch zu Gegenaktionen hinreißen und malte in gewohnter Weise sämtliche Horrorszenarien von Enteignung bis Zwangsumstellung und Untergang der abendländischen Landwirtschaft an die Wand. Publicity für das Volksbegehren, leider auch Anlass für einige peinliche Auftritte von Berufskollegen, gipfelnd in Pöbeleien einiger Jungbauerngruppen vor dem Münchner Rathaus, wo die Menschenschlangen zur Unterschrift anstanden.

Bei den von Alois Glück geleiteten runden Tischen versuchten die Vertreter des Bauernverbands zu retten, was noch zu retten war, um seinen Mitgliedern Verhandlungserfolge präsentieren zu können. In langatmigen Diskussionsrunden wurde das Thema „Mähen von innen nach außen“ erörtert, als wollte man für diese Maßnahme zum Schutz von Rehkitzen auch noch Entschädigungen aushandeln.

Genauso unverständlich die Ablehnung von verpflichtenden Gewässerrandstreifen. Geht es doch auch darum, Eigentum und Existenzgrundlage der Bauern, den wertvollen Humus auf der Fläche zu halten. Was nützt ein um 5 Meter längerer Acker, wenn die Fruchtbarkeit des Bodens buchstäblich den Bach runtergeht? Wesentlich vernünftiger wäre, den Streifen gleich breit genug für die Grünlandnutzung mit gängigen Maschinen zu machen oder weitere Ökoprogramme auf diesen Flächen umzusetzen.

Die von mir vorgetragene AbL-Position war, die Landwirte müssten nicht vor dem Volksbegehren gerettet werden, sondern vor den Auswirkungen der bisherigen Agrarpolitik. Es würde für die Artenvielfalt wenig bringen, ein paar Zierstreifen in die Landschaft zu fabrizieren, wenn weiter wie bisher immer intensiver und billiger zu Weltmarktpreisen produziert werden müsste.

 

Ökolandbau ist größter Hebel für Artenschutz

Zur 5-Jahres-Bilanz des Volksbegehrens Artenvielfalt stellten die Forschenden der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen neben beachtlichen Erfolgen bei Streuobstwiesen, Naturwäldern und Gewässerrandstreifen auch erhebliche Defizite fest. Vor allem bei den wirklich wichtigen Maßnahmen Biotopverbund, Pestizideinsatz und Ökolandbau.

Der Ökolandbau stellt den größten Hebel für den Artenschutz dar. Er bringt nicht nur Lebensräume in der Fläche, sondern würde zugleich helfen, das Ziel „Reduzierung des Pestizideinsatzes“ wirksam zu erreichen. Jeder zusätzliche Biobauer würde zudem auch den konventionellen Kollegen helfen, den Stickstoffeintrag in das Grundwasser zu reduzieren, die Märkte zu entlasten, das Niveau der Lebensmittelpreise und das Image der gesamten Landwirtschaft zu heben.

Leider belässt es unsere bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber dabei, Konventionell und Bio gegeneinander auszuspielen. Sie freut sich über 0,2 % Zuwachs bei den Biobetrieben, mit dem Hinweis, andere Bundesländer hätten eine totale Stagnation bei den Umstellungen. Routinemäßig schiebt sie die Verantwortung an die Verbraucher ab und blendet dabei die Verantwortung von Staat und Kommunen als die größten Lebensmittel-Einkäufer völlig aus.

Verbindlich mindestens 30 % Bio in allen staatlichen und kommunalen Einrichtungen, bei Empfängen und bei den Vergabekriterien für Wiesn-Beschicker zu fordern, würde Bauern, Handel und Caterern wesentlich mehr Verbindlichkeit liefern als das bisherige „Schau’n mer mal“.

 

Regierung verschiebt notwendige Maßnahmen

Momentan haben außer der Kantine des Landwirtschaftsministeriums nicht einmal die der anderen Ministerien nennenswerte Bio-Anteile in der Verpflegung. Nach dem Aufschwung in den Corona-Jahren erlebten wir nach Beginn des Ukraine-Kriegs und anschließender Inflation Rollbacks in ökologischen Bereichen.

Den Bauern als „Bürokratieabbau“ verkauft, werden ihnen die vermeintlichen Erleichterungen zwangsläufig wieder auf die Füße fallen. Die Probleme mit Artenschwund und Klimawandel sind nicht gelöst, notwendige Maßnahmen nur aufgeschoben. Die viel zitierte Resilienz der Lebensmittelversorgung hängt weniger von der Menge der produzierten Lebensmittel ab als von der Art der Produktion, möglichst unabhängig von internationalen Lieferketten.

Geschlossene Betriebskreisläufe, Tierhaltung auf Basis eigener Futtergrundlagen, eigene Düngerversorgung, vielfältige Fruchtfolgen und Sicherung der Lebensgrundlagen Wasser, Bodenfruchtbarkeit, Klima und Artenvielfalt sind die wirklichen Garanten für eine sichere Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln. Und zugleich auch für mehr Arten- und Klimaschutz.

Bienen und Bauern sind noch lange nicht gerettet. Ob Söder noch zu retten ist, sei dahingestellt.

 


 

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