„Aber in China …“
16. Dezember 2024
In seinem Buch „Die Kunst der Ausrede“ zeigt der Psychologe Thomas Brudermann mit viel Sachverstand und Humor, wie wir unser klimaschädliches Verhalten immer wieder vor uns selbst rechtfertigen und mit welchen Tricks wir uns dabei selbst täuschen. Selbsterkenntnis ist deshalb der erste Schritt auf dem Weg in eine klimafreundlichere Zukunft.
von Günther Hartmann
Was in entfernten Regionen passiert, nehmen wir als problematischer wahr als das, was bei uns passiert, fühlen uns dafür aber nicht verantwortlich. „Damit sind wir fein raus“, diagnostiziert Thomas Brudermann. „Bezüglich der Klimaschädlichkeit in unserem Land müssen wir nichts machen (ist ja nicht so schlimm), bezüglich der Klimaschädlichkeit woanders können wir nichts machen.“
So ist z. B. der Verweis auf den steigenden Wohlstand und Energieverbrauch in China ein häufig vorgebrauchtes Argument, warum eigenes klimafreundliches Verhalten nichts bringt und geradezu unsinnig ist. Denn China emittiert ja viel mehr CO2 als Deutschland, also müsste doch zunächst dort mit dem Klimaschutz begonnen werden. Ausgeblendet wird dabei, dass die Pro-Kopf-Emissionen in Deutschland immer noch sehr viel höher sind als in China.
Gründliche Analyse von 25 Ausreden
Irgendwo auf der Welt findet sich immer ein Staat oder eine Bevölkerungsgruppe oder eine Person, die sich als negatives Vorbild und Begründung fürs eigene Nichtstun eignet. Brudermann zeigt, was dabei in unserem Kopf vorgeht, wie unser Denken funktioniert, wie wir uns selbst überlisten. Und er zeigt auch, was wir tun können, um dies nicht tun.
„Klimaschützen nützt mir nichts“, „Es ist zu spät“, „Ich habe schon genug andere Sorgen“, „Ich bin doch umweltfreundlich“, „Ich habe Angst“, „Es ist zu komplex“, „Ich bin für die Misere nicht verantwortlich“, „Die anderen …“, „Klimaschutz schadet der Wirtschaft“ – diese und noch viele andere gängige Ausreden – insgesamt 25 – stellt Brudermann vor und analysiert sie gründlich.
Besserung durch Selbsterkenntnis
Brudermann hofft auf Besserung durch Selbsterkenntnis. Denn so gut wie niemand will eigentlich, dass unser Klimasystem kippt und damit unsere Existenzgrundlagen zerstört werden. Eigentlich sind fast alle Menschen umweltfreundlich eingestellt und befürworten wirksamen Klimaschutz. Bei der persönlichen Umsetzung hapert es. Flugreisen und andere Konsumentscheidungen passen nicht zur eigenen Grundeinstellung. Die Wahl mancher Parteien auch nicht.
Die gute Absicht allein führt noch zu keinen guten Entscheidungen. Das liegt an bestimmten psychologischen Mechanismen. Dieses Buch erläutert sie ausführlich, verständlich und unterhaltsam. Es wurde dafür mit dem Eunice-Foote-Preis für Klimakommunikation ausgezeichnet. Und ist sicherlich ein gutes Weihnachtsgeschenk!
Thomas Brudermann
Die Kunst der Ausrede
Warum wir uns lieber selber täuschen,
statt klimafreundlich zu leben
oekom, September 2022
256 Seiten, 25.00 Euro
978-3-96238-389-3