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Die Geschichte von Mensch und Müll

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Müll gibt es seit Menschheitsbeginn. Zum großen lokalen Problem wurde er dann vor allem in den Städten. Heute jedoch ist er ein großes globales Problem. Der Historiker Roman Köster, der über Abfallwirtschaft habilitierte, schildert in seinem gut 400-seitigen Buch „Müll“ dessen Geschichte und räumt mit einigen Mythen auf.

von Helmut Scheel

 

Ohne Müll wüssten wir viel weniger über unsere Vergangenheit. Für Archäologen sind die alten Müllberge geradezu ein Eldorado an Erkenntnisgewinn. Der Abfall in den ersten Siedlungen ermöglicht uns heute die Geschichte der Domestizierung und der Landwirtschaft zu verstehen. Wir wissen daher, was die Menschen damals aßen. Die ersten Städte bzw. deren Ruinen zeigen uns ein Bild auch von deren Herausforderungen. Der Mensch lebte mit den Tieren zusammen.

 

Krankheiten durch Fäkalien

Je dichter die Städte bebaut wurden, desto größer wurden die Probleme. Gerade die Fäkalien wurden zur Gefahr. Sie boten Nahrung für Ungeziefer und Krankheitskeime. Etwa 200 Jahre vor Christus gab es deshalb in China bereits Müllsammler in den Städten. Sie sammelten die Fäkalien, um sie als Dünger an die Bauern in der Umgebung zu verkaufen.

Müll prägte zudem die Stadtplanung. Im Mittelalter wurden die „schmutzigen“ Gewerbe an die Stadtmauer verlagert, damit die Bewohner in der Innenstadt nicht von dem Gestank und Schmutz belästigt wurden. Müllsammler gab es immer noch und diese sortierten dann, meist außerhalb der Stadt, in Brauchbares und Unbrauchbares. Fäkalien aus Senkgruben wurden noch immer als Dünger an die Bauern verkauft, wie seit Jahrhunderten zuvor bereits in China.

Ein wichtiges Gewerbe waren damals auch die Lumpensammler. Die Lumpen wurden zur Papierherstellung benötigt. Die Nachfrage explodierte, weil der Papierbedarf mit der Zunahme von Druckerzeugnissen immer weiter stieg. Erst die Entwicklung der Papierherstellung aus Holz ließ die Nachfrage nach Lumpen versiegen.

 

Müllaufkommen wächst und wächst

Mit der Industrialisierung wurde der Abfall immer differenter. Die Müllsammler wurden zu Fachleuten in Materialkunde. Sie trennten Metalle, Stoffe, Fäkalien usw. Je nach Material verkauften sie diese an Händler weiter. Je wohlhabender eine Gesellschaft wurde, umso mehr Abfall fiel an.

In den Städten wurden Senkgruben durch die Kanalisation ersetzt. Die privaten Müllsammler verloren ihre Arbeit. Die Städte begannen mit der kommunalen Müllsammlung. Doch auf den Halden suchten Menschen weiter nach verwertbaren Stoffen. Mit der Verdrängung der Halden in den Industriestaaten war dies dann nicht mehr möglich, weil die Müllverwertung mehr und mehr thermisch erfolgte. Zudem stiegen die Müllmengen beträchtlich.

Westdeutschland hatte immer größere Probleme mit den Müllmengen. So schlossen immer mehr Kommunen Abkommen mit der DDR. Das westdeutsche Müllproblem wurde in den Osten verlagert. Und durch die Wiedervereinigung wieder zu einem deutschen Problem, das den Staat jedes Jahr Milliarden Euros kostete und noch heute kostet.

Der Abfallexperte geht im letzten Kapitel noch näher auf Plastikmüll, Elektroschrott und den weltweiten Handel damit ein. Für manche Menschen in den Exportländern stellt unser Müll eine Überlebenschance dar. Diese Müllmenschen haben zwar eine kurze Lebenserwartung, aber sie sehen darin überhaupt erst eine Lebensgrundlage, indem sie Rohstoffe aus unserem Müll extrahieren.

 

Fazit

Die Vermüllung der Weltmeere und Gedanken zum Recycling sind ebenfalls Abschnitte des Buches gewidmet. Insgesamt erhält man einen guten Überblick zum Thema Müll und Abfall in der menschlichen Zivilisationsgeschichte. Ein Thema fehlt mir in dem Buch, und zwar die Problematik der Zusammenführung von Industrieabwässern und Haushaltsabwasser in den Kläranlagen. Dadurch wurde das Ausbringen der Klärabfälle als Dünger auf die Felder unmöglich.

Ich denke, dass es ein wichtiges Buch für unsere Zeit ist. Es klärt auf und gibt Impulse zu einem besseren Umgang mit unseren Ressourcen.

 

Roman Köster
Müll
Eine schmutzige Geschichte der Menschheit
C.H.Beck, Mai 2024
422 Seiten, 29.00 Euro
978-3- 406-80580-6


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