Indem man in ihr intensiv „badet“, erlernt man eine Sprache am schnellsten. – Foto: Pexels/pixabay.com

Gesellschaft & Kultur

„In der neuen Sprache baden“

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Die Sprache der neuen Heimat gut zu beherrschen, ist der wohl wichtigste Schlüssel für Einwanderer, um sich gut integrieren zu können. Sprachkurse sollten deshalb in ausreichender Quantität und Qualität angeboten werden. Doch wie lässt sich eine Sprache eigentlich am besten erlernen?

Interview mit Bernhard Suttner

 

ÖkologiePolitik: Herr Suttner, wie erlernen Einwanderer am besten die deutsche Sprache?

Bernhard Suttner: Die beste Möglichkeit, eine Fremdsprache zu erlernen, ist nach heutigem Kenntnisstand das sogenannte „Sprach-Bad“. Wer sich am Alltagsleben der aufnehmenden Gesellschaft hörend beteiligt, deren Medien intensiv nutzt und möglichst viele eigene Mitteilungsversuche unternimmt, „badet“ in der neuen Sprache und kann sich gegen das „Nass-Werden“ gar nicht wehren. Umgekehrt behindert, verzögert oder verhindert jede Separation den Spracherwerb. Die kann auftreten, weil sich Migrantinnen und Migranten selbst von der aufnehmenden Gesellschaft fernhalten – oder weil sie ferngehalten werden. Eine weitere Problematik stellen veraltete Methoden in Deutsch-Kursen dar. Die drehen sich oft primär um den Erwerb korrekter Grammatik – und sind fern der Alltagsrealitäten. Das fördert Hemmungen und Unlust.

Was bedeutet das für die Kinder der Einwanderer?

Die lange oder gar dauerhafte Separation von Kindern in eigens eingerichteten „Migrantenklassen“ ist problematisch. Kinder sollten überwiegend in Klassen unterrichtet werden, in denen sie die deutsche Sprache von Gleichaltrigen und Lehrenden hören. Unterstützende Deutschstunden nur für Migrantenkinder können hilfreich sein. Normalfall sollte aber der gemischte Unterricht sein.

In Kitas und Schulen werden Kinder von Einwanderern oft gemobbt. Was lässt sich dagegen tun?

Mobbing in Schulklassen ist ein Phänomen, das unabhängig von Migration auftritt. Es muss von allen Verantwortlichen im Schulalltag beobachtet und bearbeitet werden. In einer modernen Schullandschaft arbeiten Teams von Lehrerinnen und Lehrern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen zusammen mit Elternvertreterinnen und Elternvertretern zusammen, um ein kooperatives Klima zu pflegen und Störungen wie Mobbing rechtzeitig zu erkennen und zu bearbeiten. Es muss ein vorrangiges Ziel der Schulpolitik sein, solche Teams überall zu ermöglichen, um das Einzelkämpfertum isoliert arbeitender Lehrerinnen und Lehrer abzulösen. Wenn in solchen Teams auch Personen mit Kenntnissen in der Herkunftssprache zugewanderter Kinder mitarbeiten, kann diese Arbeit erheblich leichter und erfolgreicher gestaltet werden. Das Ignorieren von Mobbing wäre ein schweres Versäumnis. Vor allem sogenanntes „Cyber-Mobbing“ wird von den verantwortlichen Erwachsenen sehr oft und lange nicht erkannt, ist aber besonders gefährlich. Wie Mobbing erkannt und bearbeitet werden kann, muss Thema in der Fortbildung aller Lehrkräfte sein. Sehr hilfreich ist auch das kontinuierliche Training von möglichst vielen Kindern und Jugendlichen zu den Themen „Streitschlichtung“ und „Konfliktvorbeugung“. Solche Trainings gehören eigentlich zum Unterricht in Alltagskompetenz, weil die dabei erlernten Fähigkeiten für gutes Leben in Partnerschaften und Arbeitsplatz-Gruppen äußerst hilfreich sind.

Sollte den kulturellen Werten der Einwanderer mehr Beachtung und Verständnis geschenkt werden?

Es gibt in anderen Kulturen wichtige Ansätze zu einer zukunftsverträglichen Definition des „guten Lebens“. Wir in den Industrienationen leben seit mehr als einem Jahrhundert im Modus des „Habens“, wie Erich Fromm das genannt hat, und vernachlässigen den Modus des „Seins“, der weit erfüllender wäre. Das „Immer mehr und nie genug haben wollen“ ist als Ziel nicht mehr verantwortbar, weil es unseren Planeten für uns selbst und viele andere Lebewesen ruinieren würde. Deshalb sind wir darauf angewiesen, tragfähige Konzepte für „gutes Leben“ zu entdecken. Dabei könnten uns Menschen aus Ländern mit einer traditionell nicht total materialistischen Glücksvorstellung helfen. Problematisch ist jedoch, dass Migrantinnen und Migranten sehr oft aus Kulturen mit geringeren Ansprüchen an die materiellen Seiten des Lebens kommen, hier bei uns aber genau die „westliche“ Lebensform des materiellen Überflusses suchen. Dies trifft nicht auf die Menschen zu, die wegen politischer, religiöser oder sonstiger Verfolgung auf der Flucht sind. Die bei uns händeringend gesuchten ausländischen Arbeitskräfte haben jedoch sehr oft materielle Motive, die unserem eigenen „normalen“ Lebensgefühl absolut entsprechen. Dies ist ihnen keineswegs vorzuwerfen. Wir sollten aber versuchen, mit ihnen ins Gespräch über ihre Traditionen zu kommen, um zu erfahren, welche Glücksvorstellungen es in ihren Herkunftskulturen gibt. Dabei sollten wir ihnen auch mitteilen, dass unsere Industrienationen vor einer umfassenden Transformation stehen, weil die Gefahren für unsere Lebensgrundlagen eine Fortsetzung des bisherigen materialistischen Glückskonzepts nicht mehr erlauben.

Manchmal steht die mitgebrachte Tradition aber auch im Widerspruch zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Was dann?

Wir sollten von ankommenden Menschen ein Bekenntnis zur grundgesetzlichen Ordnung einfordern – nicht nur im Staatsbürgerschaftsrecht, sondern vor allem auch in Arbeitsverträgen und im Rahmen von Sprach- und Integrationskursen. Forderungen nach Einführung zusätzlicher oder alternativer Rechtssysteme wie der Scharia oder gar Rufe nach einem Umsturz der freiheitlichen Ordnung nach dem Modell eines „Gottesstaates“ oder „Kalifats“ darf man auf keinen Fall tolerieren. Hier muss rechtsstaatlich einwandfrei, aber auch schnell und entschieden Kontra gegeben werden.

Herr Suttner, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

 


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