Das BIP steigt kontinuierlich, der Nationale Wohlfahrtindex (NWI) nicht. – Screenshot: Umweltbundesamt

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Wirklich so schlimm?

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0,2 % weniger beim Bruttoinlandsprodukt (BIP): „Deutschland in der Dauerkrise“ und „Ohne Wachstum keine Arbeitsplätze“ hört man jetzt wieder allerorten. Ist diese Sorge berechtigt?

Das BIP misst Geldströme. Es hat keine Sensorik für Qualitäten. Nur ein winziges Beispiel: Wenn Strom vom eigenen Dach ohne zahlungspflichtigen Umweg über einen Stromhandelskonzern genutzt wird, dann schadet das dem BIP – es fließt ja kein Geld. Trotzdem kann man sich drüber freuen.

Auch wenn es auf den Autobahnen seltener kracht, weil Fahrzeuge sicherer sind als vor 10 oder 20 Jahren, sinkt das BIP. Wer das Rauchen aufgibt und in der Folge gesünder bleibt, schadet dem BIP gleich doppelt. Dass es in Deutschland noch nie so emissionsarmen Strom gegeben hat wie im letzten Quartal, schadet auch dem BIP: Es fehlen die Zahlungen für Kohle, Öl und Gas. Auch wenn man sich entscheidet, Erwerbsarbeit und Konsum zu reduzieren, um mehr Zeit für Familie zu haben, sinkt das BIP.

Was könnte man statt der in Geld darstellbaren Wirtschaftsleistung denn sonst messen, um den Stand einer Volkswirtschaft zu überprüfen? Dazu gibt es viele Vorschläge. Unter dem Namen „Nationaler Wohlfahrtsindex“ berechnet das Umweltbundesamt schon seit den 1990er-Jahren anhand von 20 Indikatoren, wie es Deutschland qualitativ geht.

Die Sorge um Arbeitsplätze ist dennoch berechtigt. Neue Arbeit gibt es durch echte Innovationen und sinnvolle Dienstleistungen. Auch bessere Bildung ist nötig. Die Diskrepanz zwischen den Arbeitslosenzahlen und dem Fachkräftemangel zeigt es. Wer nur den Fetisch BIP-Wachstum im Auge hat, springt zu kurz und bekommt ein falsches Bild von der Lage.

 


Onlinetipp

Umweltbundesamt
Indikator: Nationaler Wohlfahrtsindex
www.umweltbundesamt.de/daten/umweltindikatoren/indikator-nationaler-wohlfahrtsindex#die-wichtigsten-fakten


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