Demonstration gegen den Verkauf der Berliner Wasserbetriebe – Foto: Berliner Wassertisch

Wirtschaft & Soziales

„Die Transformation muss politisch gestaltbar sein!“

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Um sein Haushaltsdefizit auszugleichen, verkaufte Berlin im Jahr 1999 für 1,7 Mrd. Euro einen Anteil von 49,9 % seiner Wasserbetriebe an RWE und Veolia. Dagegen formierte sich Widerstand, der in einen Volksentscheid mündete. Dabei stimmten 98,2 % für eine vollständige Rekommunalisierung. Die wurde bis Ende 2013 umgesetzt.

Interview mit Dr. Frank Hüesker

 

ÖkologiePolitik: Herr Dr. Hüesker, vor 12 Jahren veröffentlichten Sie ein Buch, das sich kritisch mit der Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe auseinandersetzte. Warum?

Dr. Frank Hüesker: Die Berliner Wasserbetriebe waren 1999 teilprivatisiert worden. Dies erschien im neoliberalen Nachwendehype sinnvoll, um die verkrustete Berliner Kommunalwirtschaft Global-City-fähig zu machen und seine maroden Finanzen zu sanieren. Die Debatten um Geheimverträge, Gewinngarantien und goldene Kläranlagen haben mich irritiert und zu einer kritischen politikwissenschaftlichen Analyse der Gemeinwohlfähigkeit teilprivatisierter Wasserversorgung und Abwasserentsorgung animiert.

Warum privatisierte Berlin seine Wasserbetriebe?

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und die Große Koalition aus CDU und SPD im Berliner Senat waren der Auffassung, dass die Stadt mit neoliberalen Rezepten wachgeküsst werden muss, um in die Liga der Weltstädte aufzusteigen.

Was erhofften sich die Investoren?

Vivendi/Veolia wollte zeigen, dass eine privatisierte Wasserwirtschaft auch in Deutschland funktioniert.

Wie ging es seither weiter? Hat sich die Situation verbessert oder verschlechtert?

Die Berliner Wasserbetriebe wurden inzwischen rekommunalisiert, die Verträge offengelegt und die Investoren mit hohen Summen ausgezahlt. Es ist in vielerlei Hinsicht gelungen, die Wasserpolitik gesetzlich und organisatorisch nachhaltiger als vor der Privatisierung zu regeln. Und die Privatisierungserfahrung hat die Berlinerinnen und Berliner hinsichtlich ihrer Kommunalwirtschaft politisiert. Das Landesparlament hat nun mehr Einfluss auf die Anstalten öffentlichen Rechts, die in Berlin für den Erhalt der Daseinsvorsorgeleistungen verantwortlich sind. Einen kleinen Beitrag zu dieser positiven Entwicklung hat meine im oekom-Verlag erschienene Dissertation geliefert, die die Vertragsinhalte analysierte, als sie noch nicht öffentlich waren. Da sich Paradigmen der Wasserpolitik im Klimawandel fundamental ändern, ist es in einer Demokratie fundamental, dass sich eine Transformation der kommunalen Wasserwirtschaft politisch und legitimiert gestalten lässt – statt kommerzialisiert und geheim.

Herr Dr. Hüesker, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

 


Buchtipps

Frank Hüesker
Kommunale Daseinsvorsorge in der Wasserwirtschaft
Auswirkungen der Privatisierung am Beispiel der
Wasserbetriebe des Landes Berlin
oekom, Juli 2011
350 Seiten, 31.99 Euro
978-3-86581-274-2

Mathias Behnis
Die Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe
Einmal Privatisierung und zurück
Berliner Wissenschafts-Verlag, Oktober 2020
408 Seiten, 60.00 Euro
978-3-8305-5034-1

 


Onlinetipps

Ralf Schönball
Wie viel Staat soll’s sein?
Tagesspiegel, 07.06.2018
www.t1p.de/murid

Anja Nehls
Warum die Wasserbetriebe wieder den Berlinern gehören
Deutschlandfunk, 08.09.2015
www.t1p.de/qkq4l

Berliner Wassertisch
Initiative zum Schutz des Wassers vor Privatisierung und Kommerzialisierung
www.berliner-wassertisch.net

 


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