Die Pusteblume ist das Symbol der Gemeinwohl-Ökonomie. – Foto: StockSnap/pixabay.com

Wirtschaft & Soziales

Dient mein Handeln den Menschen, der Umwelt und dem Frieden?

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Die ökologischen Grenzen unseres Planeten zeigen sich immer deutlicher. Ein Weiter-wie-bisher ist nicht möglich. Doch wie kann angesichts der Komplexität der Aufgabe die Wende gelingen? Eine schlüssige Lösungsstrategie existiert bereits: die Gemeinwohl-Ökonomie. Sie muss nur beherzt umgesetzt werden.

von Günter Grzega

 

Die gesellschaftlichen Herausforderungen für Umwelt und Klima kann man aktuell als Herkulesaufgabe betrachten. Und ohne globale Zusammenarbeit der Nationen wird die Klimakrise nicht beherrschbar sein. Dabei muss die Politik uns Bürgerinnen und Bürgern der wirtschaftlich starken Nationen bewusst machen, dass neben dem umwelt- und klimaverträglichen Umbau der eigenen Wirtschaft auch an unsere ökonomische und ökologische Verantwortung für die Nachhaltigkeit bei der Produktion von Gütern und Dienstleistungen weltweit gedacht werden muss.

An Nachhaltigkeit nur am Ende einer langen Kette zu denken, wäre zu kurz gesprungen. Wir müssen Nachhaltigkeit für Umwelt und Klima vom Rohstoffabbau über Transport, Verarbeitung, Lagerung, Verpackung bis schließlich zum Endverbrauch denken. Die ökologischen Folgen sind längst schon passiert, wenn es sich um importierte Waren und Rohstoffe handelt. Produktion und Rohstoffgewinnung müssen deshalb im In- und Ausland so gestaltet werden, dass wir uns beim Einkauf auf die Beachtung der Erfordernisse von Umwelt- und Klimaschutz verlassen können.

Diese wirklich enormen Auswirkungen der internationalen Lieferketten können nicht durch Einzel-Entscheidungen von uns Bürgerinnen und Bürgern umfassend gesteuert werden. Dazu braucht es internationale Kooperation auf allen Ebenen der Welt-Staatengemeinschaft, und zwar sowohl mit multilateralen staatlichen Verträgen wie den Pariser Klimazielen als auch durch die Arbeit multinationaler Institutionen wie IWF, Weltbank, WTO etc. Dies bedeutet aber nicht, dass wir Bürgerinnen und Bürger die Verantwortung allein der nationalen und internationalen Politik übertragen und abwarten können, welche Vorgaben durch die politisch Verantwortlichen zur Rettung des Klimas gemacht werden.

 

Seinen Teil beitragen!

Selbstverständlich ist der häufige Hinweis, dass das Handeln von den Menschen in Deutschland, die nur 2 % der Weltbevölkerung ausmachen, doch klimapolitisch wohl eher sinnlos erscheint, grundsätzlich nachvollziehbar. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass die große Politik auch von Menschen gemacht wird. Und diese Menschen werden vor allem durch unser persönliches Handeln und unsere Forderungen an sie in ihrer Arbeit maßgeblich beeinflusst. Wenn wir nicht handeln und fordern, wird es auch kaum politische Konzepte, Verträge und Gesetze geben, die eine gelingende Zukunft nachfolgender Generationen ermöglichen.

Vielleicht ermutigt die alte Parabel „Das Feuer und der Kolibri“, uns auch als nur einzelner Mensch zu klimaschonendem Handeln zu bewegen: „Als im Urwald ein Feuer ausbricht, erstarren alle Tiere vor Entsetzen. Bis auf den kleinen Kolibri, der mit seinem Schnabel ein paar Tropfen Wasser fängt, um die Flammen zu bekämpfen. ‚Kolibri, Du bist verrückt‘, sagt das Gürteltier, ‚mit den paar Tropfen wirst Du den Brand nicht löschen!‘ Doch der Vogel antwortet: ‚Ich weiß. Aber ich trage meinen Teil bei!‘“

Das Gelingen der Pariser Klimaziele hängt vor allem von der Bereitschaft der ökonomisch entwickelten Staaten ab, nämlich die Mehrheit ihrer Bürgerinnen und Bürger von der Sinnhaftigkeit eines raschen Umstiegs auf sichere, saubere und für alle bezahlbare Energie, intelligente Mobilität, eine kreislauffördernde Wirtschaft, sinnhafte Ökosysteme, umweltfreundliche Lebensmittelsysteme sowie schadstoffarme Umwelt zu überzeugen. Eine gesicherte Finanzierung dieser Maßnahmen, und zwar auch durch finanzielle Unterstützung der sich ökonomisch in der Entwicklungsphase befindlichen Staaten, ist das Fundament für die Erreichung der Ziele bis 2030.

 

Aufrüsten ist kontraproduktiv

Selbstverständlich gab und gibt es bei der Umsetzung der notwendigen Veränderungen unterschiedliche Entwicklungen in den am Abkommen beteiligten Staaten. Aber grundsätzlich konnte man bis zur Corona-Krise erkennen, dass im Durchschnitt die Staatengemeinschaft auf einem guten Weg war, die oben beschriebenen notwendigen Veränderungen Stück für Stück politisch, gesellschaftlich und ökonomisch umzusetzen. Corona war aber nur ein vorübergehender Bremseffekt. Inzwischen muss man eine neue und erschütternde Tatsache zur Verhinderung der Erreichung der Pariser Klimaziele zur Kenntnis nehmen, nämlich den Ukraine- und den Gaza-Krieg und die damit verbundene extrem ansteigende Rüstungsindustrie.

Mittlerweile ist bekannt, dass das Militär für 5,5 % aller CO2-Emissionen der Welt verantwortlich ist – und zwar bereits ohne kriegerische Auseinandersetzungen. Zum Vergleich: Der Anteil ziviler Luftfahrt macht 2 % aus. Die Pariser Beschlüsse enthalten leider keine Verpflichtung, dass Staaten der UN ihre militärischen Emissionen benennen müssen. Freiwillig tun es nur vier Länder. Und es ist nicht garantiert, dass sie vollständig Auskunft geben. Um die Erderwärmung zu stoppen, müsste aber die Angabe der Militär-Emissionen für alle Staaten verpflichtend sein. Damit könnte man verdeutlichen, dass an die Stelle von Kriegen andere Konfliktlösungen treten müssen und dringend abgerüstet werden muss. Sonst zerstören wir die Zukunft kommender Generationen nicht nur durch Kriege, sondern auch durch das Nichterreichen der Begrenzung der Klimaerwärmung und der damit verbundenen Klimakatastrophe.

 

Aufgeben gilt nicht!

Sollen wir aufgrund der aktuellen Entwicklungen, die ein Verfehlen der Pariser Klimaziele wahrscheinlich machen, aufgeben und den Kopf in den Sand stecken? Auf keinen Fall, denn die Geschichte lehrt uns, dass es bei der Entwicklung einer gelingenden globalen Gesellschaft immer wieder Sackgassen und Rückschläge gegeben hat und weiterhin gibt. Aufgeben gilt nicht! Und ja, wir müssen das im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts im sogenannten „Werte-Westen“ etablierte ökonomische und gesellschaftliche Modell des Rechts des Stärkeren mit der Funktionslogik der Macht, also dem Modell des Neoliberalismus, überwinden. Der Vater der National-Ökonomie, Adam Smith, hat bereits 1776 festgestellt: „Der niederträchtigste Leitsatz der Herren der Welt lautete zu allen Zeiten: Alles für uns und nichts für die anderen.“

 

Schlüssiges Konzept: die GWÖ

Für die Überwindung der neoliberalen Ideologie in Wirtschaft und Gesellschaft, die die Umwelt- und Klimafrage zugunsten der kurzfristigen finanziellen Gewinnmaximierung absolut ausblendet, gibt es seit 2010 eine Antwort: das evolutionäre Ökonomie- und Gesellschaftsmodell der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ). Sie basiert auf den Ideen des österreichischen Philologen und Publizisten Christian Felber und wurde von ihm gemeinsam mit 15 Unternehmerinnen und Unternehmern entwickelt. Eine umfassende Darstellung bietet Felbers Hauptwerk „Gemeinwohl-Ökonomie“. Es erschien inzwischen in 12 Sprachen. Die englische Version enthält ein Vorwort von Eric Maskin, der 2007 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt.

Die GWÖ versteht sich als Wegbereiter für ökonomische und gesellschaftliche Veränderungen in Richtung eines kooperativen Miteinanders im Rahmen ethischen und damit auch klimagerechten Wirtschaftens. Ihr Fundament ist die Frage des Handelns aller natürlichen und juristischen Personen, nämlich:

  • Dient mein Handeln den Menschen?
  • Dient mein Handeln der Umwelt?
  • Dient mein Handeln dem Frieden?

Den erforderlichen Umbau zur Bestätigung eines zukunftsfähigen Handelns zeigen die Grundsätze des GWÖ-Wirtschaftsmodells transparent und unmissverständlich auf. Die Ökologie und dabei vor allem der Klimaschutz müssen ins Zentrum der Investitionstätigkeit, des Denkens und Handelns aller Menschen in Politik und Gesellschaft rücken. Diese Forderung ist auch der zentrale Punkt in der von der GWÖ-Bewegung konzipierten Gemeinwohl-Bilanz (GWB), die z. B. von Unternehmen – neben der Finanzbilanz – als auditierter Nachweis einer am Gemeinwohl ausgerichteten Gesamtstrategie zu erstellen ist.

Dabei wird die GWB-Werte-Matrix „Menschenwürde – Solidarität & Gerechtigkeit – Ökologische Nachhaltigkeit – Transparenz & Mitentscheidung“ mit den Berührungsgruppen des Unternehmens, der Gemeinde, der Stiftung etc. verknüpft. Die Matrix als Grundlage zur Erstellung einer GWB ist ein Modell zur Organisationsentwicklung und Bewertung sowohl von unternehmerischen als auch gemeinnützigen Tätigkeiten.

Inzwischen hat sich die GWÖ-Bewegung seit dem Start im Jahr 2011 mit 15 Unternehmen auf aktuell weltweit über 12.000 Unterstützer und über 1.100 bilanzierende Unternehmen und andere Organisation, 200 Hochschulen weltweit, Gemeinden und Städte verbreitet. Selbst ein Profi-Fußballverein, nämlich der FC St. Pauli, hat sich dem Konzept der GWÖ angeschlossen und veröffentliche im Dezember 2023 seine erste Gemeinwohl-Bilanz.

Die GWÖ bietet im Hinblick auf Nutzen, Gewinn und Sinnhaftigkeit einer evolutionären Gesellschaftsentwicklung die notwendigen Transformationsschritte und ermöglicht damit auch – wahrscheinlich jedoch nur noch mit zeitlicher Verzögerung – das Erreichen der Pariser Klimaziele. Eine wichtige Rolle spielt die GWÖ auch im von Ernst Ulrich von Weizsäcker zusammen mit 33 weiteren Club-of-Rome-Mitgliedern veröffentlichen Nachfolgebuch zu den „Grenzen des Wachstums“: „Wir sind dran“. Denn sie bietet das realistisch machbare Fundament zur Umsetzung des Prinzips Hoffnung zum Prinzip Verantwortungsübernahme. Packen wir’s an!

 

Dieser Artikel erschien erstmals im Buch „Klimawende jetzt“. Für die ÖkologiePolitik wurde er gekürzt und redaktionell überarbeitet.

 


Buchtipps

Hermann Theisen (Hrsg.)
Klimawende jetzt
Inspirierende Wege für eine gesellschaftliche und ökologische Erneuerung
oekom, Februar 2025
288 Seiten, 28.00 Euro
978-3-98726-145-9

Ernst Ulrich von Weizsäcker, Anders Wijkman u. a.
Wir sind dran
Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen
Gütersloher, Oktober 2017
400 Seiten, 25.00 Euro
978-3-579-08693-4

Christian Felber
Gemeinwohl-Ökonomie
Überarbeitete Neuauflage
Piper, März 2018
256 Seiten, 12.00 Euro
978-3-492-31236-3


 

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