Biotop-Patin Sonja Jelineck zwischen dem älteren und dem neu angelegten Teich. – Foto: Günther Hartmann

Umwelt & Klima

„Gute Vernetzung und große Neugier sind das Wichtigste“

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In der Südostecke des Münchner Prinz-Eugen-Parks befindet sich ein ca. 25 x 25 m großes eingezäuntes Biotop mit alten Bäumen, dichten Büschen und einem Teich. Seit 2023 wird es von der Kreisgruppe München des BUND Naturschutz und einer Biotop-Patin betreut.

Interview mit Sonja Jelineck

 

ÖkologiePolitik: Frau Jelineck, wie kam es zu diesem Biotop?

Sonja Jelineck: Eingezäunt wurde das Areal vom Baureferat Gartenbau wegen der großen abgestorbenen Pappel in der Mitte. Denn die ist nicht mehr standsicher, könnte umkippen und stellt somit ein hohes Sicherheitsrisiko dar. Sie sollte aber erhalten bleiben, weil Totholz für viele Insekten, Vögel und andere Tiere einen hohen Nutzwert hat. Das war ein Grund für die Umzäunung. Der andere Grund war der von Prinz-Eugen-Park-Bewohnern geäußerte Wunsch nach einer Trinkstelle für die im Park lebenden Tiere. Das passte gut zusammen. Deshalb hat das Baureferat Gartenbau dort einen Teich angelegt, für den wir dann die Pflege übernommen haben. Vor allem, weil es hier vor nicht allzu langer Zeit noch sehr viele Frösche und Kröten gegeben haben soll. Am Tannhäuserplatz – nur etwa 50 m entfernt von hier – gab es früher einen Teich, der leider zugewachsen und somit als Lebensraum und Laichplatz unbrauchbar geworden ist.

Warum legen Sie jetzt noch einen zweiten Teich an?

Um konkurrenzschwache Arten wie die Wechselkröte anzulocken. Die wollen keine tiefen, mehrjährigen Gewässer mit viel Bewuchs, Konkurrenz und Fressfeinden, sondern besiedeln gerne flache Gewässer mit Pioniercharakter, wenig Bewuchs und frischem Wasser. Sandige oder kiesige Bereiche mögen sie auch. Und sie brauchen viel Sonne. Dementsprechend wird der zweite Teich gestaltet. Wir wissen, dass es zwei jeweils rund 1 km entfernte Wechselkröten-Populationen gibt – und somit könnte das klappen. Eine Garantie gibt es dafür natürlich nicht, aber wir geben unser Bestes.

Die müssen dazu aber über eine viel befahrene Straße.

Ja, aber das machen sie. Und das schaffen auch viele. Wechselkröten wandern mehrere Kilometer weit, manchmal bis zu 10 km.

Pflegen Sie nur den Teich oder das ganz Biotop?

Vor allem den Teich und Uferbereich. Am Zaun sammeln wir vom Wind angeblasenen Müll. Ins Gehölz gehen wir aber kaum, vor allem nicht während der Vogelschutzzeit von März bis September, denn das ist eine Brutstätte für viele Vogelarten. Und generell ein wertvoller Rückzugsraum für Tiere.

Wem gehört das Areal eigentlich? Und wie sind Sie dazu gekommen?

Es gehört – wie auch der restliche Park – der Stadt München. Das Baureferat Gartenbau hat mit der Kreisgruppe München des BUND Naturschutz und einer ehrenamtlichen Patin – nämlich mit mir – eine offizielle Patenschaftsvereinbarung geschlossen. Die Kreisgruppe übernimmt die Kommunikation mit den städtischen Referaten, berät ehrenamtliche Helfer, koordiniert größere Maßnahmen und bindet externe Fachleute ein. Größere Maßnahmen wie die Anlage der Teiche sprechen wir vorher mit dem Baureferat ab. Wir erhalten auch viel materielle Unterstützung in Form von Sand, Schotter, Steinen, Baumstämmen usw. Und vom Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) werden wir über zwei Förderprogramme finanziell unterstützt, sodass wir Honorar- und Sachkosten wie z. B. für Teichfolie, Vlies und Werkzeuge sowie für Layout und Druck der Schilder finanzieren können.

Warum muss ein Biotop eigentlich gepflegt werden? Warum wird es nicht sich selbst überlassen?

Weil wir die Biodiversität erhöhen und bedrohte Tierarten retten wollen. Die Wechselkröten haben wir ja schon angesprochen: Die gab es hier früher, dann wuchs der Teich zu und sie verschwanden. Wir haben uns hier klare Prioritäten gegeben: zum einen die Vögel, zum anderen die Amphibien. Viele Amphibien sind recht „anspruchsvoll“, was ihren Lebensraum betrifft. Nur wenn wir ihre Bedürfnisse erfüllen, kommen und bleiben sie – hoffentlich. Es ihnen recht zu machen, bedeutet viel Arbeit. Und wir wissen noch nicht so genau, was hier gut und was weniger gut funktioniert. Letztes Jahr hatten wir z. B. mehr Molche als dieses Jahr. Die Ursachen können wir nur vermuten. Da müssen wir einfach auch viel ausprobieren. Es dauert auch oft Jahre, bis sich natürliche Gleichgewichte einpendeln – gerade bei Teichen. Glücklicherweise haben wir gute Berater, die uns wertvolle Tipps geben und uns immer wieder motivieren.

Hier liegen auch viele Dachziegel und Betonsteine rum. Wieso?

Die dienen Amphibien, Eidechsen und Insekten als Verstecke. Vor allem die kleinen Hüpfer brauchen das, wenn sie aus dem Teich zum Gehölzrand oder in die angrenzenden Blühflächen wollen. Ohne Sichtschutz würden sie von den Vögeln gefressen. Die unansehnlichen Betonsteine werden auch noch verbaut, wenn wir einen geeigneten Platz für sie haben, sodass vor allem die schöneren Natursteine sichtbar sind.

Was gibt es denn hier für Tiere?

Erdkröten und Grasfrösche gibt es viele, auch wenn die sich tagsüber gut verstecken. Auch Bergmolche und Teichmolche. Zahlreiche Insekten natürlich, darunter Libellen. Und es kommen viele Vögel zum Trinken her, auch seltene Arten wie der Eichelhäher, Grünspecht, Buntspecht, Rotkehlchen, Zaunkönig, Grasmücken und diverse Meisenarten – wie erwähnt, brüten manche hier auch. Und Säugetiere gibt es: mindestens einen Fuchs und viele Igel.

Die Amphibien wurden aber von Ihnen nicht ausgesetzt?

Nein, die kommen von selbst. Wenn man den Teich beobachtet oder in die Verstecke schaut, entdeckt man sie. Letztes Jahr hatten wir sehr viele Kaulquappen, dieses Jahr zwar 15 Laichballen vom Grasfrosch und eine Erdkrötenlaichschnur, aber nur wenige Kaulquappen.

Woran lag das?

Da können wir nur spekulieren. Einige Wochen lebten zwei Enten am Teich und haben womöglich die meisten Kaulquappen gefressen. Deshalb wollen wir im kommenden Sommer ein Netz oder ein Gitter über den Teich legen. Es kann aber auch sein, dass zu viele Fressfeinde im Teich waren, z. B. Libellenlarven und Rückenschwimmer. Um es für möglichst viele Amphibien attraktiv zu machen, bauen wir jetzt ein richtiges Teichsystem: Der neue Teich liegt etwas höher, ist flach und hat einen Überlauf zum alten Teich. Und der hat wiederum einen Überlauf nach hinten in den Kiesbereich. So bleibt das Wasser in Bewegung und hat verschiedene Qualitäten. Im oberen Teich gibt es durch regelmäßiges Auslassen weniger Fressfeinde. Der dauerhafte Teich hat auch einen Wert für bestimmte Amphibien – aber eben nicht für alle. Vor allem nicht für die Wechselkröte. Die bevorzugt einjähriges Wasser.

Wie hoch ist denn der zeitliche Aufwand für die Biotop-Betreuung?

Wenn wir den sehr aufwendigen Bau der Teiche ausklammern: rund 3 Stunden pro Woche von Frühjahr bis Herbst. Ich teile mir die Arbeit vor allem mit meiner BUND-Kollegin Simone Paffrath. Und wenn größere Arbeiten anstehen, fragen wir rechtzeitig vorher in unserer Kreisgruppe oder im AK Ökologie, einem ehrenamtlichen Arbeitskreis der Prinz-Eugen-Park-Bewohner, nach Helfern. Da kommen dann auch immer einige Leute dazu.

Interessieren sich die Prinz-Eugen-Park-Bewohner für das Projekt?

Ja, sehr. Durch den Maschendrahtzaun ist das Biotop ja gut sichtbar. Der Zaun dient in erster Linie der Bewohner-Sicherheit, ist aber auch für die Tiere eine gute Lösung. Die Fläche ist so vor Menschen und Hunden geschützt, Amphibien, Igel und auch der Fuchs kommen aber unten durch. Unser Projekt soll aber nicht nur den Tieren dienen, sondern auch die hier lebenden Menschen für die Thematik sensibilisieren und begeistern. Die sollen etwas über die Natur in ihrer unmittelbaren Umgebung lernen. Deshalb haben wir am Zaun auch verschiedene Infotafeln und Bilder der in Bayern vorkommenden Amphibien aufgehängt. Und wir kriegen sehr viel Feedback. Wenn wir da sind, steht das Tor offen. Dann bleiben vorbeikommende Leute stehen und stellen Fragen. Kinder kommen rein und helfen beim Algenfischen. Als die Feuerwehr den Teich mit Wasser befüllt hat, bildete sich sofort eine große Menschentraube – und alle fanden das toll.

Wo haben Sie beide denn Ihr Know-how her?

Wir sind gut vernetzt, im BUND Naturschutz oder anderen Naturschutz-Organisationen findet sich eigentlich immer jemand, der wertvolle Tipps geben kann. Vor allem Stefan Freiberger, ortsansässiger Amphibienexperte, der seit Jahrzehnten die Biotope am Denninger Anger betreut, hat uns intensiv beraten und auch beim Teichbau geholfen. Aber auch von den Referaten der Stadt kamen immer wieder hilfreiche Ratschläge.

Wenn Ihnen nun jemand nacheifern möchte – was würden Sie ihm raten?

Auf jeden Fall vorher mit vielen Leuten sprechen, die da schon Erfahrungen gemacht haben. Davon kann man nur profitieren. Und jeder kennt wieder jemanden, der jemanden kennt … Eine gute Vernetzung und große Neugier sind das Wichtigste.

Frau Jelineck, herzlichen Dank für das interessante Gespräch. Und viele Wechselkröten im nächsten Jahr!

Das Interview wurde am 31. Juli 2024 geführt.

 


Onlinetipps

Bayerisches Landesamt für Umwelt
Wechselkröte (Bufotes viridis)
www.t1p.de/j3448

BUND Darmstadt
Gartenteich bauen und pflegen
www.t1p.de/typqq

NABU
So bauen Sie einen Gartenteich
www.t1p.de/iujwi

NABU
Wasserparadiese im Garten
www.t1p.de/582dh

LWG Bayern
Naturnahe Sumpf- und Wassergärten
www.t1p.de/2tq65


 

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