5 m breite Gewässerrandstreifen sind seit dem Artenschutz-Volksbegehren in Bayern Pflicht. – Foto: LBV

Umwelt & Klima

Sind die Bienen gerettet?

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Seit dem 1. August 2019 gilt in Bayern ein neues, besseres Naturschutzgesetz – Resultat des erfolgreichen Volksbegehrens „Artenvielfalt – Rettet die Bienen!“. Sein großes Ziel war und ist es, den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen und unsere Landschaften wieder zu beleben. Nach 5 Jahren gibt es eine Bilanz mit Licht und Schatten.

von Dr. Norbert Schäffer

 

Wir sind Zeuge des größten Artensterbens seit dem Verschwinden der Dinosaurier. Wissenschaftliche Erkenntnisse lassen keinen Zweifel daran, dass auch in Bayern immer mehr Tier- und Pflanzenarten verschwinden. Krefelder Entomologen haben in Langzeituntersuchungen festgestellt, dass die Insekten-Biomasse in deutschen Schutzgebieten innerhalb von 27 Jahren um 76 % abgenommen hat. Nachrichten wie diese rüttelten vor 5 Jahren viele Menschen wach und machten klar: Das Artensterben ist in vollem Gange. Es besteht dringender Handlungsbedarf, denn am Ende geht es um unser aller Überleben. Wenn es keine Bienen und Hummeln mehr gibt, wer bestäubt dann unser Obst und Gemüse?

So wurde wohl ein Nerv der Zeit getroffen, als Naturschützer aus den Reihen der bayerischen ÖDP 2018 die Idee eines Volksbegehrens zum Erhalt der Artenvielfalt aufbrachten. Schnell fanden sich Mitstreiter für die Initiative: der Landesbund für Vogel- und Naturschutz e.V. (LBV), die Gregor Louisoder Umweltstiftung und die bayerischen Grünen. Der weitere Verlauf war eine Erfolgsgeschichte, die im In- wie auch im Ausland mit Berichterstattung bis nach Japan und Australien für Aufsehen sorgte. Über 1,7 Mio. Wahlberechtigte stimmten für das Volksbegehren und für ein neues, besseres Naturschutzgesetz. Und das, obwohl die Einschreibungsfrist mitten im Winter lag – also in einer Zeit, in der die Bevölkerung eher nicht an Bienen, Schmetterlinge und Feldlerchen denkt.

Ohne die hervorragende Vorarbeit der ÖDP und den unglaublichen Einsatz unzähliger Freiwilliger wäre das nicht denkbar gewesen. Insgesamt war das Volksbegehren nicht nur das erfolgreichste in der Geschichte des Freistaates, sondern es entstand daraus eine Massenbewegung, deren Umfang weit über die genannte Anzahl der Unterschriften hinausging.

 

Evaluierung der Ziele

Doch wo stehen wir heute bei der Umsetzung der gesetzten Ziele? Geht es der Natur in Bayern besser als vor dem Volksbegehren? Und wo besteht noch Handlungsbedarf? Von Anfang an hatte sich der Trägerkreis dazu verpflichtet, die Umsetzung der neuen Ziele und Gesetze genau zu beobachten und zu evaluieren. Für ein wissenschaftliches Monitoring wurde dazu ein Team von Experten um Prof. Roman Lenz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen beauftragt. Aus mehr als 80 einzelnen Maßnahmen, die im Volksbegehrensgesetz und den verabschiedeten Begleitgesetzen festgelegt sind, wurden insgesamt 32 Indikatoren abgeleitet, von denen seit 2020 jeweils eine Auswahl von 12 bis 15 Indikatoren jährlich evaluiert werden. 2024, also 5 Jahre nach dem großen Erfolg des Volksbegehrens, sollte nun mit der Überprüfung aller 32 Indikatoren ein umfassender Eindruck über die Umsetzung der Maßnahmen gewonnen werden.

Klar ist: Durch das Volksbegehren konnten die Rahmenbedingungen für den Schutz von Bayerns Natur deutlich verbessert werden. Neben zusätzlichen Geldern wurden auch über 100 Personalstellen in der Verwaltung neu geschaffen sowie eine wichtige Ausweitung von Maßnahmen im Vertragsnaturschutz- und Kulturlandschaftsprogramm erreicht.

 

Naturwald

Eine positive Entwicklung lässt sich beim Waldschutz beobachten. So sind inzwischen über 10 % des bayerischen Staatswaldes als Naturwald ausgewiesen. Dort wird die Natur sich selbst überlassen und zahlreiche Arten wie Gelbbauchunke, Mittelspecht und Wespenbussard haben hier ihren Lebensraum. Durch das Volksbegehren wurden 7.200 ha Staatswald zusätzlich rechtsverbindlich und dauerhaft aus der forstlichen Nutzung genommen. Dennoch gibt es weiterhin viele Arten, die selten oder vom Aussterben bedroht sind, für die wir ein Netzwerk von nutzungsfreien und ausreichend großen Schutzgebieten im Wald benötigen. Neben Schutzgebieten mit Urwaldriesen sind naturnah bewirtschaftete, vielfältige Wälder, die uns als Holzlieferant dienen, auf einem Großteil der Fläche erwünscht und notwendig, um das Ökosystem Wald als Gesamtes gesund und artenreich zu erhalten.

 

Streuobst

Ein großer Erfolg beim Schutz artenreicher Lebensräume ist der Bayerische Streuobstpakt, mit dem die Staatsregierung ein umfassendes Engagement für den Erhalt und die Neuanlage von Streuobstwiesen zugesagt hat. Bis heute konnten bereits beeindruckende Fortschritte erzielt werden. Die Fördersätze für Pflanzung und Pflege von Streuobstbäumen wurden deutlich verbessert und die bayerischen Baumschulen produzieren mehr Hochstamm-Obstbäume. Zudem entstehen mehr Ausbildungsplätze für Streuobst-Baumpfleger. In ganz Bayern sind 27 Streuobstmanager im Einsatz, die vor Ort Ansprechpartner für Fragen zum Thema Streuobst sind. Alleine im Jahr 2023 wurden insgesamt Mittel in Höhe von 7.000.000 Euro für die Umsetzung des Streuobstpaktes ausgereicht und insgesamt ca. 30.000 Bäume gepflanzt. Bis 2035 sollen es insgesamt 1 Mio. werden!

Der Klimawandel bringt jedoch neue Probleme für die heimischen Streuobstwiesen: Spätfröste und trockene Sommer, die immer häufiger auftreten, bedrohen diesen wertvollen Lebensraum, die Ausbreitung der Mistel gefährdet geschwächte Bäume. Die Akteure des Streuobstpakts müssen sich mit diesen Problemen beschäftigen und verschiedene Lösungswege erproben. Und auch wir als Konsumenten und Privatpersonen sind gefragt: Damit Streuobst eine Zukunft hat, muss der Absatz der entsprechenden Produkte gesichert sein. Direktsaft aus heimischem Streuobst schmeckt besser, ist gesünder und schützt dank kurzer Transportwege und extensiver Bewirtschaftung unsere Natur und das Klima.

 

Biotopverbund

Eines der wichtigsten Instrumente aus dem Volksbegehren ist der Aufbau eines funktionalen Biotopverbundes im Offenland. Ein Netzwerk aus Schutzgebieten, Verbundelementen und Trittsteinen soll als „grüne Infrastruktur“ das Wandern und den Austausch von Arten ermöglichen. Denn die Zerschneidung und Verinselung von Lebensräumen gehören zur größten Bedrohung für die biologische Vielfalt. Die bayerische Staatsregierung hat sich verpflichtet, bis 2030 15 % der Fläche des Offenlands als Biotopverbund zu gestalten. Laut Statusbericht der Staatsregierung für das Jahr 2022 ist das Zwischenziel von 10 % erreicht.

Die Qualität der derzeit in den Biotopverbund eingerechneten Flächen ist jedoch kritisch zu sehen, eine Überprüfung findet nicht statt. Die Vernetzung von artenreichen Magerrasen, Feuchtwiesen, Hecken und Brachflächen muss aber unbedingt weiter vorangetrieben werden, damit die Artenvielfalt im Offenland eine Chance hat.

 

Gewässerrandstreifen

Ein Rückgrat des Biotopverbunds können Gewässerrandstreifen bilden. Auf diesen Streifen entlang von Flüssen und stehenden Gewässern ist eine acker- und gartenbauliche Nutzung untersagt. Sie verhindern Bodenerosion bei Hochwasser oder Starkregen, halten Nährstoffe sowie Feinmaterial zurück und sind damit unverzichtbar für den Gewässerschutz. Als Puffer vor Pestiziden und Düngemitteln tragen sie wesentlich zur Verbesserung der Wasserqualität bei. Gewässerrandstreifen von mindestens 5 m Breite wurden durch das Volksbegehren Artenvielfalt endlich auch in Bayern zur Pflicht und sind vielerorts bereits umgesetzt.

Auf Grünland ist eine intensive Nutzung jedoch nicht ausgeschlossen. So gibt es keine Einschränkung zur Schnitthäufigkeit, der Abstand zum Gewässer für die Ausbringung von Dünger und Gülle ist je nach Hangneigung und Ausbringtechnik unterschiedlich geregelt. Naturnahe Gewässerrandstreifen sind auch für den Erhalt und die Vernetzung vielfältiger Lebensräume wichtig. Wenn auf ihnen blühende Hochstaudenfluren oder Gehölze entstehen dürfen, bieten sie Lebensraum für zahlreiche Arten und können als lineare Elemente Lebensräume verbinden und somit zum Biotopverbund beitragen.

 

Wiesen

Ein weiterer wichtiger und vielfältiger Lebensraum ist arten- und strukturreiches Dauergrünland. Blühende Wiesen und Weiden wurden durch das Volksbegehren unter Biotopschutz gestellt. Über die Entwicklung dieses Biotoptyps kann jedoch keine Aussage getroffen werden, da die Biotopkartierung nur schleppend vorangeht und keine ausreichenden Daten liefert. Darüber hinaus wurde durch das Volksbegehren festgelegt, dass 10 % des bayerischen Grünlands erst nach dem 15. Juni gemäht werden sollen. Dieses Ziel wurde bayernweit 2023 erstmals erreicht und ist damit ein Erfolg des Volksbegehrens! Eine späte Mahd stellt sicher, dass Insekten immer ausreichend Blüten als Futtergrundlage finden. Spät blühende Pflanzen können ausreifen und Samen bilden, damit die Art fortbestehen kann.

Der Gesamtzustand der Wiesen im Freistaat ist jedoch weiterhin schlecht. Die EU hat Deutschland sogar vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, da es blütenreiche Wiesen in Natura-2000-Gebieten nicht ausreichend schützt. Zu frühe und zu häufige Mahd, Düngung und die Umwandlung von Grünland in Siedlungs- oder Ackerflächen gefährden die wertvollen Wiesen. Um artenreiches Grünland zu bewahren, sind Maßnahmen wie spätere Mahd, zeitversetzte Mahd, höhere Schnitthöhen und das Belassen von ungemähten Streifen wichtig.

 

Landwirtschaft

Ökologisch wirtschaftende Betriebe weisen häufig eine höhere Artenvielfalt auf ihren Flächen auf als konventionelle Betriebe. Für die Halbierung des Pestizideinsatzes sind sie unverzichtbar. Seit dem Volksbegehren sind Fortschritte beim Ausbau des Ökolandbaus zu verzeichnen, z. B. auf staatlichen Flächen, durch gestiegene Fördersätze sowie beim Ausbau der Öko-Modellregionen.

Insgesamt liegt der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche mit derzeit gut 13 % jedoch noch weit hinter dem gesteckten Ziel von 30 % bis 2030 zurück. Auch auf den staatlichen Flächen wird trotz leichter Zunahme der Zielwert von 30 % für das Jahr 2020 bislang nicht erreicht. Ein Hebel der Politik, um den Ökolandbau zu fördern, wäre eine Steigerung von Bio-Produkten in öffentlichen Kantinen. Und auch am eigenen Esstisch sollten Bio-Lebensmittel zum neuen Standard werden. Mit dem Kauf regionaler Bio-Produkte leistet jede und jeder einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt und einer attraktiven Kulturlandschaft, in der Platz für Wildkräuter und Blumen, Bienen und Vögel ist.

Mit dem Volksbegehren wurde das Ziel einer Pestizidhalbierung bis zum Jahr 2028 gesteckt. Während die Ziele zur Pestizidreduktion auf EU-Ebene wieder verworfen wurden, hält die Bayerische Staatsregierung an einer Halbierung fest. Bayern kann damit eine Vorreiterrolle einnehmen. Im diesjährigen Bericht des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums wird angegeben, dass der Pestizideinsatz im Jahr 2022 im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2018 um 19 % gesunken ist.

Dies ist jedoch kritisch zu sehen, da die Daten eine reine Hochrechnung für Bayern darstellen und keine absoluten Daten zum Pestizideinsatz liefern. Zudem wird die Giftigkeit der Wirkstoffe nicht ausreichend berücksichtigt. Ein Maßnahmenplan, der darlegt, wie das Ziel der Pestizidhalbierung erreicht werden soll, liegt bislang ebenfalls nicht vor. Maßnahmen, um den Pestizideinsatz gezielt und sinnvoll zu reduzieren, wären, möglichst große Flächen pestizidfrei zu bewirtschaften oder Kulturen, in denen ein Verzicht auf Pestizide vergleichsweise einfacher ist, komplett pestizidfrei zu bewirtschaften. Auch Pufferzonen um Schutzgebiete würden ökologisch einen großen Mehrwert bringen.

Nach dem Erfolg von „Rettet die Bienen!“ waren bayernweit vielerorts mehr Blühflächen zu sehen. Der Monitoringbericht zeigt, dass die finanzielle Förderung von Blühpflanzen in der Agrarlandschaft bis zum Jahr 2022 sowohl flächenmäßig als auch hinsichtlich der Fördersummen zugenommen hat, jedoch im Jahr 2023 ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen ist. Dies deckt sich mit aktuellen politischen Entwicklungen, wo auf europäischer Ebene durch den Druck der Bauernproteste die Verpflichtung abgeschafft wurde, 4 % Brachen für die Artenvielfalt zur Verfügung zu stellen.

Mehrjährige Brach- und Blühflächen können jedoch insbesondere in der intensiv genutzten Agrarlandschaft einen echten Mehrwert für die Artenvielfalt leisten. Hier bieten sie Nahrung und Lebensraum für Insekten. Diese Erkenntnis sollte sich langfristig in der Agrarpolitik widerspiegeln. Blühflächen sind nicht nur in der Agrarlandschaft wichtige Lebensräume für unsere Arten, auch Landkreise und Kommunen können über blühende öffentliche Flächen Lebensräume schaffen und Artenvielfalt fördern.

 

Lichtverschmutzung

Auch das zunehmende Problem der Lichtverschmutzung wurde vom Volksbegehren „Rettet die Bienen!“ adressiert. Die neue Gesetzgebung hatte dabei die Kommunen in die Pflicht genommen, die Beleuchtung öffentlicher Gebäude nach 23 Uhr auszuschalten. Beleuchtete Werbetafeln im Außenbereich und sogenannte „Himmelsstrahler“ sind seit Juli 2019 verboten. Eine stichprobenartige Überprüfung bayerischer Innenstädte zeigt, dass die meisten Städte diese Vorgaben einhalten. Die Reduzierung der Beleuchtung öffentlicher Gebäude ist aber nur ein erster Schritt.

Um die negativen Folgen der Lichtverschmutzung merklich zu reduzieren, müssen wir alle einen Beitrag leisten. Dort, wo eine Beleuchtung notwendig oder sinnvoll ist, können wir auf eine insektenfreundliche Gestaltung achten, wie beispielsweise warmweiße und möglichst schwache Lichtquellen, eine Ausrichtung der Leuchtquelle nur nach unten und möglichst kurze Beleuchtungsdauer.

 

Fazit

Noch erleben wir die Trendumkehr beim Verlust der biologischen Vielfalt nicht. Nach wie vor sind viele Arten gefährdet oder vom Aussterben bedroht, wie die aktuellen Roten Listen gefährdeter Arten darlegen. So gelten laut Roter Liste von 2021 51 % aller Wildbienenarten als gefährdet. Auch der im März 2023 zum ersten Mal veröffentlichte „Bericht zur Lage der Natur“ bestätigt die Dramatik des Verlusts der Artenvielfalt in Bayern, insbesondere auf Äckern und Grünlandflächen.

Seit dem Volksbegehren haben sich aber die Voraussetzungen für die Förderung der Artenvielfalt deutlich verbessert. Die Ausweitung und Verbesserung der Agrarförderprogramme, die bessere personelle Ausstattung der Naturschutzbehörden sowie Leuchtturminitiativen wie der Bayerische Streuobstpakt wären ohne das Volksbegehren nicht möglich gewesen. Die mediale und politische Aufmerksamkeit, die das Volksbegehren generiert hat, ist einzigartig und hat zu einem größeren Bewusstsein für das Artensterben in der Bevölkerung geführt.

Diese Grundlagen müssen genutzt werden, um eine Veränderung in der Landschaft zu bewirken, damit die Maßnahmen, die durch das Volksbegehren initiiert wurden, den Verlust der biologischen Vielfalt aufhalten. Der LBV wird hier nicht nachlassen, die Arbeit der Staatsregierung kritisch überprüfen und konstruktiv begleiten. Über 115.000 Mitglieder und Unterstützer geben uns dabei politisches Gewicht. Jedes neue Mitglied hilft, dem Schutz von Natur- und Artenvielfalt im politischen Tagesgeschäft Gehör zu verschaffen.

 


Onlinetipps

LBV, ÖDP u. a.
Rettet die Bienen!
Volksbegehren Artenvielfalt
www.volksbegehren-artenvielfalt.de

Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz
Bericht zur Lage der Natur in Bayern
März 2023
www.lfu.bayern.de/natur/bericht_lage_natur


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