Auf der Feier „5 Jahre Artenvielfalt-Volksbegehren“ des Bayerischen Landtags: die bayerische ÖDP-Landesvorsitzende Agnes Becker (Mitte), Landtagsvizepräsident Ludwig Hartmann (2. v. l.) , ÖDP-Co-Landesvorsitzender Tobias Ruff (4. v. l.) und eine große ÖDP-Delegation – Foto: Andreas Gregor

Umwelt & Klima

Der wildeste Ritt meines politischen Lebens

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5 Jahre Artenschutz-Volksbegehren. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit will ich es tun: Danke sagen! Danke an all die aktiven Menschen innerhalb und außerhalb der ÖDP, in Bayern und anderswo, die sich mit Überzeugung und Tatkraft eingesetzt haben, damit unser Volksbegehren „Rettet die Bienen!“ zum erfolgreichsten Volksbegehren in Bayerns Geschichte werden konnte.

von Agnes Becker

 

Über 1,7 Mio. Wahlberechtigte sind 2019 in nur 14 Tagen in die heimatlichen Rathäuser gegangen und haben sich für mehr Artenschutz eingetragen. Eine fantastische Zahl! Ich bin dankbar, weil ich eines ganz genau weiß: Ohne alle diese Menschen wäre aus dieser genialen politischen Idee nichts geworden. Für mich war es der absolut wildeste Ritt meines bisherigen politischen Lebens. Im Kampf um den Erhalt unserer Lebensgrundlagen war es ein wichtiger Meilenstein. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

Es war und ist so bitter nötig, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um den dramatischen Verlust an Lebensvielfalt um uns herum aufzuhalten. In unserer ÖDP muss man das niemandem erklären. Alle haben vom ersten Moment an mitgezogen, mitgearbeitet und mitgekämpft. Dafür bin ich nicht nur dankbar, darauf bin ich verdammt stolz!

 

Umsetzung wird wissenschaftlich begleitet

Zweifelsohne waren die Wochen und Monate Ende 2018, Anfang 2019 für uns alle sehr intensiv und anstrengend, aber die Bilanz 5 Jahre später kann sich sehen lassen! Eine Bilanz, die der immer noch vertrauensvoll zusammenarbeitende Trägerkreis des Volksbegehrens wissenschaftlich fundiert seit nun 5 Jahren jährlich erheben lässt. Zum 5. Geburtstag dieses Jahr wurden erstmals alle durch das Volksbegehren eingeführten Maßnahmen untersucht und geprüft, ob die Staatsregierung ihre Hausaufgaben macht. Ich freue mich sehr, dass Prof. Dr. Roman Lenz von der Hochschule Nürtingen-Geislingen dieses Monitoring übernommen hat und in der nächsten ÖP dazu einen Beitrag schreiben wird.

Ein ganzes Maßnahmenbündel für mehr Artenschutz haben wir 2019 zum Gesetz gemacht: gesetzlich verbindlich geschützte Gewässerrandstreifen, Streuobstschutz, Biotopschutz für artenreiche Wiesen, Ausbau des Biolandbaus auf 30 % bis 2030, die Schaffung eines Biotopverbundes, mehr Artenschutz im Wald, Eindämmung der Lichtverschmutzung, Verbesserungen bei Lehre und Forschung, Schutz von Alleen und Feldrainen und vieles andere mehr. Damit haben wir nicht nur viele Fortschritte beim Artenschutz erreicht, sondern wir haben auch bewiesen, dass wir die einzige Partei sind, die in Bayern Gesetze gegen den Willen der CSU durchsetzt. Wir, die kleine ÖDP! Die Presse verlieh uns dafür schon mehrmals das Prädikat „erfolgreichste Oppositionspartei Bayerns“. Das soll uns allen den Rücken stärken!

Wir sind vielleicht (noch) klein, aber wirksam! Aus sicherer Quelle weiß ich, dass man in der Staatskanzlei die Ohren spitzt, wenn die ÖDP mit einem Volksbegehren droht. Tatsächlich reicht manchmal auch schon die Drohung, wie zuletzt Anfang 2023, als die Regierungsfraktionen in Bayern der Privatisierung von Trinkwasser den Weg ebnen wollten. Die entsprechende Pressemitteilung war noch keine halbe Stunde verschickt, rief schon die Deutsche Presseagentur an und wollte Genaueres wissen. Wenige Tage später ruderte die Staatsregierung zurück. Diesen Respekt haben wir uns hart erarbeitet.

 

Volksbegehren entfaltet Wirkung

Aber zurück zum Artenvielfalt-Volksbegehren: Selbstverständlich sind bei Weitem noch nicht alle Maßnahmen umgesetzt oder wirklich gut angepackt. Zudem kamen fast unglaubliche Zustände durch unser Volksbegehren ans Tageslicht: Viele Biotopkartierungen waren zuletzt im vorigen Jahrtausend aktualisiert worden, ähnlich sah es bei vielen Gewässerkartierungen aus. Das zeigt, welchen Stellenwert diese Dinge in den letzten Jahrzehnten in Bayern hatten. All das wird jetzt aufgearbeitet und aktualisiert. Aber es wird noch für viele Jahre unsere Aufgabe bleiben, dranzubleiben, nicht nachzulassen und weiter den Entscheidern auf der Pelle zu sitzen. Und das haben wir natürlich auch fest vor.

Wo und wie weit die Fortschritte bei den einzelnen Themenfeldern sind, legt der Vorsitzende des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz, Dr. Norbert Schäffer, in seinem Gastbeitrag in diesem Heft dar. Ihm möchte ich an dieser Stelle nochmals meinen ganz herzlichen Dank aussprechen für die tolle Zusammenarbeit! Für besonders Interessierte sind alle Ergebnisse und die wissenschaftliche Auswertung des Monitorings übrigens auch jederzeit auf unserer Internetseite www.volksbegehren-artenvielfalt.de einsehbar.

 

Verfassungsgericht weist Klagen ab

Ein besonderer Tag war für Bernhard Suttner, unseren langjährigen Landesvorsitzenden in Bayern, und mich der 18. Oktober 2023. An diesem Tag mussten wir beide als offizielle Beauftragte des Volksbegehrens vor dem Bayerischen Verfassungsgericht erscheinen.

Bereits 2019 hatte die AfD den Ministerpräsidenten, die Landtagspräsidentin, zwei Minister, zwei Fraktionsvorsitzende und uns beide verklagt wegen angeblicher Verstöße unseres Gesetzes gegen Landes- und Bundesrecht sowie gegen das Grundgesetz. Der Klage folgte ein äußerst umfangreicher Schriftsatzwechsel, dem wir natürlich nur mit juristischem Beistand gewachsen waren. Viele haben dafür erneut gespendet. Auch dafür herzlichen Dank!

Mühsam war es trotzdem, allerdings erwies es sich als hilfreich, zusammen mit weiten Teilen der Staatsregierung verklagt worden zu sein. Wir saßen sozusagen im gleichen Boot. Die Urteilsverkündung nach knapp vier Jahren war dann fast etwas unspektakulär. Schnörkellos und nüchtern sprach der Vorsitzende Richter die magischen Worte: „Die Anträge werden abgewiesen.“

Was dann folgte war für Bernhard Suttner und mich eine Sternstunde unseres Rechtsstaates. Über eine Stunde fasste der Richter die 120 Seiten umfassende Urteilsbegründung zusammen. Und auch wenn zumindest ich bei Weitem nicht alles wirklich verstanden habe, die sehr oft gebrauchten Worte „unzulässig“ und „unbegründet“ waren auch den nicht juristisch Gebildeten verständlich.

Am Ende wurde deutlich, dass die ÖDP, und hier vor allem mein Co-Landesvorsitzender in Bayern, Tobias Ruff, ein juristisch unangreifbares und gutes Gesetz geschrieben hatte. Ein Gesetz, das nun sogar die höchstrichterliche Prüfung mit Bravour absolviert hatte. Dass damit der Angriff der anti-ökologischen und zukunftsfeindlichen AfD abgewehrt war, freut mich immer noch.

 

Demonstrationen gegen wichtige Gesetze

Fiese Angriffe gegen ökologisch sinnvolle und für eine gute Zukunft unerlässliche Projekte haben wir dieses Jahr ja leider oft erleben müssen. Anfang dieses Jahres konnte man durchaus den Eindruck bekommen, dass in Deutschland vor allem der recht hat, der den größten Bulldog fährt. Viele absolut notwendige und unendlich wichtige Regelungen für besseren Schutz der schwindenden Artenvielfalt wurden angesichts von vielen Traktoren und noch mehr Schreihälsen von einer feigen Regierung in Berlin und einer angstgetriebenen EU-Kommission geschleift.

Umso stolzer können wir sein, dass wir es mit unserem Volksbegehren fertiggebracht haben, einen ganz wichtigen Bestandteil des Green New Deal zumindest für Bayern „gerettet“ zu haben: die Halbierung des Pestizideinsatzes. Versprochen wurde diese übrigens vom Ministerpräsidenten schon bis 2028. Auch da werden wir natürlich genau hinschauen!

 

Freie-Wähler-Chef unterstützt Demonstranten

Angriffe gegen dieses wichtige Ziel kamen und kommen übrigens nicht nur aus Berlin und Brüssel, das kann auch unser stellvertretender Ministerpräsident. Er gefällt sich nicht nur am besten als Redner auf Bauern- und Heizungsdemos, er brüllt auch schon mal gerne ins Bierzelt, dass er alles tun werde, um eine Reduzierung des Pestizideinsatzes zu verhindern.

Darauf von mir angesprochen, erwiderte die bayerische Landwirtschaftsministerin bei einer Podiumsdiskussion etwas erschrocken, dass sie sich natürlich dem Halbierungsziel und dem Versprechen ihres Ministerpräsidenten verpflichtet fühle und ihre Anweisungen nicht vom Stellvertreter erhalte. Leidend und steif saß bei dieser Diskussion übrigens unser Umweltminister daneben und wusste nicht recht, was er sagen sollte. Er ist ein Parteifreund unseres obersten Bierzeltreden-Schwingers. So macht Politik bei aller Ernsthaftigkeit manchmal auch echt Spaß.

 

Landtag feiert 5-jähriges Jubiläum mit Festakt

Spaß machte im Übrigen auch der Rahmen dieser besagten Podiumsdiskussion. Zum 5. Geburtstag des Volksbegehrens hatte uns der Bayerische Landtag zu einem Festakt ins Maximilianeum eingeladen. Höhepunkt der Feier war die Podiumsdiskussion, die im Senatssaal des Landtags stattfand. Wie der Name schon erahnen lässt, tagte dort bis 31.12.1999 der Bayerische Senat. Das war die zweite Kammer im Freistaat, bis die bayerische ÖDP ihn per Volksentscheid abschaffte. Damit konnten nicht nur jährlich rund 8 Mio. Euro eingespart werden, sondern dieser schöne Saal wurde eben auch frei für tolle Dinge, wie z. B. Geburtstagsfeiern für ÖDP-Volksbegehren. Ich habe in diesem Saal jedenfalls die ganze Kraft der direkten Demokratie spüren können!

 

Trotz Widerständen: Aufgeben ist keine Option!

Und liebe Freundinnen und liebe Freunde, liebe ökologische Engagierte, ja, ich weiß es: Es gibt gerade für die Artenvielfalt weitere Bedrohungen wie die Deregulierung der neuen Gentechnik, den rasenden Flächenverbrauch und vieles andere mehr. Die Ökologie hat in diesen Zeiten einen schweren Stand – umso klarer ist für mich: Aufgeben ist keine Option. Unser aller Einsatz, unsere Kraft, unser Ideenreichtum und unsere Hingabe für unsere gemeinsamen politischen Ziele sind heute gefragter und wichtiger denn je!

 


Onlinetipp

ÖDP, LBV u. a.
Rettet die Bienen!
Volksbegehren Artenvielfalt
www.volksbegehren-artenvielfalt.de


Buchtipp

Agnes Becker, Tobias Ruff, Bernhard Suttner
Wir haben genug!
Warum das gute Leben jenseits von Konsumismus,
Wachstumswahn und Überfluss liegt
oekom, Juli 2023
96 Seiten, 10.00 Euro
978-3-98726-279-1


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