Das große Tabu
15. November 2024
Wenn es um die maroden Staatsfinanzen geht, dann wird eigentlich nur von zwei Auswegen geredet: Entweder die Schuldenbremse lockern oder Sozialleistungen kürzen. Das machen gerade die Herren Söder und Aiwanger in Bayern bei familiärer Pflege und Kinderbetreuung.
Völlig tabuisiert ist in unserem Land die dritte Möglichkeit: Deutschland pflegt eine Kuschel-Steuerpolitik gegenüber sehr, sehr reichen Menschen. Mit „sehr reich“ sind nicht die von Merz, Lindner und anderen stets bemühten fleißigen Handwerksmeister gemeint, die einen erfolgreichen mittelständischen Betrieb leiten. Manche Reichtumsforscher – Ja, so etwas gibt es wirklich! – sagen: Wer in seinem eigenen Betrieb selber noch arbeitet, ist nicht richtig reich.
Also – wer ist gemeint, wenn man das Tabu „höhere Steuern auf höchste Einkommen“ oder „höhere Steuern auf sehr große Erbschaften“ brechen will? Es sind jene 10 %, die rund 50 % des Vermögens in Deutschland besitzen und aus diesem Vermögen stetig hohe Einkommen erzielen.
Ein Beispiel: Der VW-Konzern gehört zu einem hübschen Teil den Eigentümer-Familien Porsche und Piech. An diese wird Jahr für Jahr eine für Normalos schwer vorstellbare Milliardensumme an Dividenden ausgeschüttet. Der Porsche-Familienholding z. B. wurden rund 3 Mrd. Euro überwiesen, als im Jahr 2022 eine Sonderdividende ausgeschüttet wurde. So wird man „richtig reich“.
Einkommen aus Kapitalerträgen sind bekanntlich nicht wie Arbeitseinkommen progressiv besteuert. Bei Kapitalerträgen ist der Staat mit pauschal 25 % zufrieden. Bei Einkommen aus Arbeit kann es bekanntlich bis 45 % gehen.
Es steht zu befürchten, dass auch die neue Bundesregierung den „bewährten“ Kuschelkurs gegenüber Superreichen fortsetzen wird. Das große Tabu wird bleiben. Extreme Ungleichheit gilt übrigens als tödliches Gift für den demokratischen Zusammenhalt in einem Staat.