Ali E. Danabas (links) bei der Ergebnis-Präsentation eines Workshops – Foto: Landratsamt München

Gesellschaft & Kultur

„Ich kann nur versuchen, Brücken zu bauen“

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Die Integration von Einwanderern entscheidet sich maßgeblich vor Ort, auf der kommunalen Ebene. Viele Kommunen haben deshalb in den letzten Jahren neue Stellen eingerichtet, die sich darum kümmern sollen. Aber was können diese konkret tun? Und welche Probleme treten überhaupt auf?

Interview mit Ali E. Danabas

 

ÖkologiePolitik: Herr Danabas, seit wann gibt es im Landkreis München die Stelle des Integrationsbeauftragten? Und warum wurde sie eingerichtet?

Ali E. Danabas: Die Stelle gibt es seit 2008. Das war für die damalige Zeit ziemlich progressiv für einen Landkreis. Zu verdanken haben wir die Stelle dem damaligen Landrat Heiner Janik, der hellhörig wurde, als ich mich 2007 mit einer Initiativbewerbung für die noch nicht vorhandenen Aufgabenfelder bewarb. Daraufhin hat sich der Landrat höchstpersönlich für die Schaffung der Stelle eingesetzt, weil ihm bereits deutlich geworden war, dass es auf kommunaler Ebene einen Ansprechpartner für eingewanderte Menschen im Landratsamt braucht. So gesehen war die Zeit reif dafür und für mich war es damals aufgrund meiner Erfahrungen wie eine Berufung.

Was sind die größten Probleme bei der Integration von Einwanderern?

Im Fokus meiner Arbeit stehen nicht nur Einwanderer, sondern ganz ausdrücklich auch die alteingesessenen Menschen. Denn von den Veränderungen durch die Einwanderung sind ja alle gleichermaßen betroffen. Daher vermeide ich, soweit es geht, den Begriff „Integration“. Es geht ja in erster Linie um gesellschaftlichen Zusammenhalt und um ein respektvolles Zusammenleben. Wichtig sind deshalb die Rahmenbedingungen. Nicht nur die Verständigung zwischen den Menschen verschiedener Herkunft und verschiedenen Glaubens, sondern auch Menschen mit verschiedenen Bildungsgraden und wirtschaftlichen Möglichkeiten hängen von den Strukturen ab. Die Schaffung von Chancengleichheit und die Schöpfung von Potenzialen sind aus meiner Sicht die größten Herausforderungen.

Was sind die wichtigsten Maßnahmen, um die Integration voranzubringen?

So banal sich das auch anhört: In einer immer „roher“ werdenden gesellschaftlichen Atmosphäre sehe ich es als eine meiner wichtigsten Aufgaben an, Brücken zu bauen zwischen Menschen, die sich immer weiter voneinander entfremden. Begegnungsveranstaltungen, Feste oder niederschwellige Dialogveranstaltungen sind notwendig. Zusammen essen und trinken bringt Menschen einfach zusammen. Dafür haben wir sogar einen Fördertopf, sodass sie bei Bedarf bezuschusst werden können. Unabhängig davon haben wir aus Handlungsfeldern wie Bildung, Teilhabe und Arbeit etwa 90 Projekte in einem Konzept, das vor 4 Jahren im Kreistag einstimmig beschlossen wurde, zusammengefasst.

Braucht es für unterschiedliche Einwanderergruppen unterschiedliche Maßnahmen?

Ganz spontan würde ich sagen „Nein“. Ich würde weder ethnisieren noch kulturalisieren. Das würde von den wahren Herausforderungen ablenken. Jedoch: So individuell die Menschen auch sein mögen, je nach Situation oder Phase, in der sie sich befinden, gibt es unterschiedliche Angebote. Geflüchtete müssen z. B. zuallererst untergebracht werden. Das alleine ist bei einer ohnehin allgemeinen Wohnungsknappheit bei uns im Landkreis eine große Herausforderung, für die wir einen eigenen Fachbereich haben. Wogegen z. B. eine chinesische Professorin an der Universität in Garching oder ein indischer Programmierer in Unterföhring einen ganz anderen Aufenthaltsstatus hat und dementsprechend andere Baustellen zu bewerkstelligen sind.

Sie haben ja auch Migrationshintergrund. Welche Erfahrungen haben Sie selbst gemacht?

Ich bin ein „klassisches“ Gastarbeiterkind. Meine Eltern sind in den 1970er-Jahren nach einer Binnenwanderung in der Türkei nach Ankara als Arbeiter nach Deutschland gekommen – genauer gesagt: nach Ostwestfalen. Mein Vater war Müllmann und meine Mutter Putzfrau. Sie wollten, dass aus meinen beiden Schwestern und mir etwas wird. Darum kamen sie nach Deutschland. Ich bin also in einem ganz anderen Milieu groß geworden als das, in dem ich in und nach meinem Studium gelandet bin. In verschiedenen Milieus gewesen zu sein und immer noch zu sein, ist spannend und eine Bereicherung. Aber ja, ich habe leider auch Erfahrungen mit Rassismus machen müssen. Der Rassismus ist immer noch eine große Hürde für viele im Alltag, wie zum Beispiel bei der Wohnungs- und Arbeitssuche. Ich weiß aber von meinen Kindern, Neffen und Nichten, dass der Rassismus für sie kein so großes Thema mehr ist wie für mich oder meine Eltern.

Welche Ratschläge können Sie heutigen Einwanderern geben?

Ich bin nur Angestellter in einer Behörde und auch persönlich oft hilflos. Ich kann und will niemandem Ratschläge erteilen, das wäre anmaßend. Die Menschen wissen schon selber, was gut ist und was schlecht ist. Jeder ist anders. Jeder hat andere Fähigkeiten, Interessen, andere Ziele und andere Möglichkeiten. Soll jeder seine eigenen Erfahrungen machen. Ich kann nur versuchen, Brücken zu bauen und vielleicht einen gerechteren Weg für einige Menschen zu ebnen.

Herr Danabas, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

 


Onlinetipps

Landkreis München
Integrationsbeauftragter
www.t1p.de/3pen2

Bundesregierung
Integrationsbeauftragte
www.integrationsbeauftragte.de 


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