Eine Kernaufgabe der UNO ist die Wahrung des Völkerrechts. – Foto: edgarwinkler/pixabay.com

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Illusion?

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Es ist seit einiger Zeit nicht unproblematisch, sich mit alten Bekannten zu treffen: Wenn man sich längere Zeit nicht gesehen, nicht miteinander gesprochen, nicht in irgendeinem Netzwerk regelmäßig voneinander erfahren hat – dann weiß man z. B. nicht so genau, wie die oder der andere z. B. zum russischen Krieg oder zur Heizungsfrage eingestellt ist.

Es kann geschehen, dass allein schon ein Hinweis auf die „Charta der Vereinten Nationen“ zu Problemen und Zerwürfnissen führt. Dort liest man im Artikel 2 den folgenden Grundsatz: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“ Das ist wohl die wichtigste Grundlage des modernen Völkerrechts. Der Angriff Russlands auf die Ukraine basiert ebenso wie der aktuelle „Verhandlungsvorschlag“ Putins darauf, dass dieser Grundsatz nicht mehr gelten soll.

Im Gespräch wird dann sehr oft die UN als „illusorisch“, „gescheitert“ und vor allem „machtlos“ eingestuft. Der letzte Vorwurf gilt. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ein mächtiger Staat den Artikel 2 der Charta ungestraft verachtet. Die beiden ersten Urteile kann ich jedoch nicht akzeptieren: Die UN-Charta darf als Basis des Völkerrechts nicht als „Illusion“ abgehakt werden. Sie war, ist und bleibt der wichtige Versuch, nach dem Inferno des Zweiten Weltkrieges einen Neuanfang für eine friedlichere Welt auf der Basis von Menschenrecht und Völkerrecht einzuleiten.

Wenn der 4. Grundsatz des Artikels 2 der UN-Charta nicht mehr gelten soll und die Ukraine im Stich gelassen wird, dann wäre das eine Einladung an alle Diktatoren dieser Welt, das Völkerrecht systematisch zu ignorieren und sich ihre Nachbarländer oder Teile davon anzueignen. Deshalb gilt: Mit der Ukraine wird die Charta der UN verteidigt.