Europas Energiewende ist abhängig von China
22. April 2024
China hat sich der gleichen Wachstumsideologie verschrieben wie der Westen. Nachdem im Inland das Wachstum zurückgegangen ist und die Immobilienmärkte dort zunehmend durch die Spekulation bestimmt werden, hat die chinesische Führung beschlossen, stärker in den Export zu gehen. Bei Photovoltaikmodulen und Batterien hat China inzwischen riesige Überkapazitäten aufgebaut und dominiert den Markt. Das führt zu einem Preisverfall.
Die USA und Japan schotten bereits ihre Märkte mit Anti-Dumping-Zöllen ab. Die EU zögert bisher damit. Das Wirtschaftsforschungsinstitut ifo berechnet den Wohlstandsverlust in Deutschland auf 0,5 % der Wirtschaftsleistung.
Im Jahr 2023 waren die chinesischen Produktionskapazitäten für Batterien mehr als doppelt so groß wie die weltweite Nachfrage, 2025 wird sie dreimal so groß sein. Die Batteriepreise haben sich 2023 halbiert.
Bei Photovoltaik hätte China 2023 genug Produktionskapazität für Module mit einer Nennleistung von insgesamt 861 GW gehabt. Global wurden aber nur 390 GW installiert. Dieser Markt wächst jährlich mit 40 %. Aber allein in China werden 2024 500 bis 600 GW Produktionskapazität dazukommen. Photovoltaikmodule sind deshalb im letzten Jahr um zwei Drittel billiger geworden.
Der Anteil der Investitionen liegt in China bei 42 % des BIP. In Deutschland ist es nur halb so viel. Für Deutschland ist das ein Problem, denn bei uns sollen auch Fertigungskapazitäten für Batterien und Photovoltaikmodule aufgebaut werden. Andererseits lässt sich mit chinesischen Produkten der Umbau zu einer klimafreundlichen Wirtschaft billiger erreichen. Die globale Energiewende wird dadurch beschleunigt.
Die nationale CO2-Bepreisung für den Wärme- und Verkehrssektor mit aktuell 45 Euro/t geht 2027 in einen erweiterten EU-Emissionshandel über. 2025 wird der CO2-Preis bei 200 Euro/t liegen, 2030 bei 275 Euro/t, 2040 bei 400 Euro/t und 2045 bei 450 Euro/t.
Wer die Energiewende im eigenen Haus oder der Wohnung aktiv betreiben will, hat oft hohe Anfangsinvestitionen zu schultern, kann dann aber in den nächsten 25 Jahren etwa 20 % der Gesamtkosten einsparen. Die Modernisierungsumlage erlaubt es den Vermietern, bis zu 8 % der Investitionskosten jährlich auf die Miete umzulegen. Wenn eine Heizung zur Instandhaltung ausgetauscht werden muss, zählt das auch als Modernisierung. Hier ist mehr Kontrolle sinnvoll.
In Deutschland wurden bisher 1,4 Mio. Wärmepumpen installiert. Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2030 rund 6 Mio. einzubauen. Hinzu kommen die zunehmende Elektrifizierung im Verkehrssektor und die angestrebte Elektrifizierung von Industrieprozessen.
Wichtig ist, dass sich der Strommix in Deutschland zu einem großen Teil aus erneuerbaren Energien speist, damit es zu hohen CO2-Einsparungen kommt. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis 2030 rund 80 % des Bruttostromverbrauchs mit Wind-, Wasser- oder Sonnenenergie gedeckt werden sollen. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) konnte jedoch 2023 lediglich 50 % des Zielvolumens für Windenergieanlagen an Land vergeben.
Die 2023 aufgebaute Leistung bei Photovoltaik betrug 14,1 GW, die installierte Gesamtleistung am Jahresende 81,7 GW. Damit müssen ab 2024 jährlich 19 GW zusätzlich installiert werden, um das Ausbauziel von 215 GW bis 2030 zu erreichen.
Bei der Windenergie an Land betrug die aufgebaute Leistung 2,9 GW, die installierte Gesamtleistung am Jahresende 60,9 GW. Damit müssen ab 2024 jährlich 7,7 GW zusätzlich installiert werden, um das Ausbauziel von 115 GW bis 2030 zu erreichen.
Bei der Windenergie auf See betrug die aufgebaute Leistung 0,3 GW, die installierte Gesamtleistung am Jahresende 8,5 GW. Damit müssen ab 2024 jährlich 3,1 GW zusätzlich installiert werden, um das Ausbauziel von 30 GW bis 2030 zu erreichen. Die BNetzA weist darauf hin, dass sich das Ausbautempo bei den erneuerbaren Energien deshalb mehr als verdreifachen muss.
Der Bundesrechnungshof erklärt, dass parallel zum Ausbau erneuerbarer Energien neue Kraftwerke für eine steuerbare Kapazitätsreserve mit einer Gesamtleistung von 23,8 GW gebaut werden müssen. Die Preise der Regelenergie aus fossilen Kraftwerken wird aufgrund der Verknappung von Emissionszertifikaten sehr stark ansteigen. Das Netzengpassmanagement wird voraussichtlich 6,5 Mrd. Euro/Jahr kosten.
Außerdem ist ein erheblicher Ausbau der Stromnetze nötig. Im Hinblick auf die Umsetzung der einzelnen Vorhaben (ohne Offshore-Anbindungsleitungen) ergibt sich gegenüber der ursprünglichen Planung ein Zeit- und Ausbauverzug von 7 Jahren und 6.000 km. Bis 2045 werden allein für den Ausbau der Stromnetze massive Investitionskosten von mehr als 460 Mrd. Euro anfallen.
Das Bundeswirtschaftsministerium berücksichtigt diese Kosten bisher nicht bei seiner Darstellung der Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien. Die Kosten für Systemdienstleistungen werden also erheblich ansteigen. Die Netzentgelte (inklusive Messstellenbetrieb) stiegen von 2013 bis 2023 für Haushaltskunden um 43 % von 6,52 auf 9,35 Cent/kWh, für Gewerbekunden um 32,3 % von 5,61 auf 7,42 Cent/kWh und für Industriekunden um 84,4 % von 1,79 auf 3,30 Cent/kWh. Von 2013 bis 2022 stiegen die Kosten für Systemdienstleistungen auf 5,8 Mrd. Euro und haben sich damit fast verfünffacht.
Wir brauchen für diesen Umbau der Energiewirtschaft mehr Investitionen, mehr staatliche Regulierung und gut funktionierende staatliche Banken, um sinnvolle Innovationen in Stromnetze, Power2Gas-Technik, Batterien, Windkraft, Dämmung, Solarzellen gezielt und massiv zu unterstützen. Das Ganze ist aber leider auch sehr korruptionsanfällig. Das Kapital muss in wirklich sinnvolle Investitionen fließen, denn breit gestreute Milliarden-Subventionen würden die Energiewende massiv verteuern.
Staatliche Zuschüsse sollte es nur für in Deutschland produzierte Technik geben, die sich auf dem modernsten Stand der Technik befindet.
Onlinetipps
Christian Mihatsch
Chinas Industriepolitik treibt globale Energiewende voran
Klimareporter, 10.04.2024
www.t1p.de/dlwb1
Andrew Hayley
China solar industry faces shakeout, but rock-bottom prices to persist
Reuters, 03.04.2024
www.t1p.de/fe8th
Martin Sandbu
In green tech, overcapacity is a boon
Financial Times, 07.09.2023
www.t1p.de/q64v4