Fernwärmeleitungen in einem Tunnel unter dem Rhein in Köln – Foto: A. Savin/wikipedia.org

Bauen & Verkehr

Wärmenetze: Kommunen leider noch ohne Plan

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Deutsche Großstädte müssen bis Ende 2026 Wärmepläne vorlegen, kleinere Städte bis Mitte 2028. Derweil überschreiten wir die 1,5-Grad-Klimaerhitzung. Kommunen stehen unter Druck und Hausbesitzer vor einem Dilemma. Sicher ist nur: Erdgas ist keine Brücke und Wasserstoff ist nicht zum Heizen da.

von Dr. Michael Stöhr

 

Das Energiekonzept der ÖDP, das im „Bundesarbeitskreis Klima- und Umweltschutz, Verkehr und Energie“ in den Jahren 2021 und 2022 erarbeitet und vom Bundeshauptausschuss am 19. November 2022 verabschiedet wurde, unterscheidet sich von den Energiekonzepten aller anderen Parteien durch folgende Alleinstellungsmerkmale:

  • hoher Stellenwert von Suffizienz und Effizienz, ermöglicht insbesondere durch konsequente Mobilitätswende und Kreislaufwirtschaft
  • Umstellung der Energieversorgung auf 100 % erneuerbare Quellen bis 2030
  • weitgehend regionale Deckung des Energiebedarfs, wenig Energieimporte
  • herausgehobene Rolle von lokalen Energiegemeinschaften in der Hand von Bürgerinnen und Bürgern als Träger der neuen Energieversorgung

Dadurch wird das Energiekonzept der ÖDP kompatibel mit dem Pariser Abkommen zum Klimaschutz, resilient, wirtschaftlich und sozial verträglich:

  • Paris-kompatibel, weil bereits 2023 die mittlere globale Temperaturerhöhung etwa 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Wert betrug und diese nach dem Abkommen von Paris nicht wesentlich überschritten werden darf. Das heißt vor allem, dass die Verbrennung fossiler Energieträger so schnell wie möglich beendet werden muss.
  • Resilient, weil bei einer überwiegend regionalen Energieversorgung einzelne Schadensereignisse, etwa die Unterbrechung von Gas- oder Starkstromleitungen, nicht sofort einen überregionalen Ausfall der Energieversorgung zur Folge haben.
  • Wirtschaftlich, weil die günstigste Versorgung aus erneuerbaren Energien erreicht wird, wenn weitgehend auf Quartierebene der Ausgleich von fluktuierender Erzeugung und Bedarf durch Energiespeicher erzielt wird.
  • Sozial verträglich, weil in Energiegemeinschaften auch einkommensschwache Haushalte eingebunden werden und unkompliziert ein sozialer Ausgleich erreicht werden kann.

 

Optionen für eine erneuerbare Wärmeversorgung

Für erneuerbare Wärme gibt es viele Quellen, immer gilt aber: Wärme kann über große Distanzen nur mit großen Verlusten transportiert werden. Wärmeversorgung erfolgt deshalb immer lokal. Je nach Gegebenheiten sind verschiedene Varianten einer erneuerbaren Versorgung möglich. Welche die beste ist, bedarf jeweils umfassender Untersuchungen.

Biomasse sollte im Einklang mit Natur- und Artenschutz gewonnen und nicht über längere Strecken, sprich, nicht über mehr als zwei Landkreise hinweg, transportiert werden. Wo regional viel Waldrestholz und holziger Grünschnitt anfällt, ist eine Hackschnitzelheizanlage für größere Gebäude oder ein Nahwärmenetz eine Option.

Biogas sollte nicht mit Maisschrot aus Monokulturen, sondern aus vergärbaren Abfall-und Reststoffen sowie Blühwiesenschnittgut gewonnen werden. Es kann dann zu Biomethan aufbereitet und über bestehende Gasleitungen verteilt werden. Allerdings ist Biogas teuer und das im Einklang mit Natur- und Artenschutz nutzbare Potenzial begrenzt. Biogas kann darum oft nur einen kleinen Beitrag zur Wärmeversorgung leisten.

Solarthermiekollektoren ernten viel Energie pro Kollektorfläche, stellen allerdings Wärme überwiegend im Sommer zur Verfügung. Gebraucht wird sie jedoch vor allem im Winter. Ein hoher Beitrag der Solarthermie zur Wärmeversorgung ist dennoch möglich, sofern sie in einem Wärmenetz genutzt und in großen Wärmespeichern saisonal gespeichert wird.

Wo verfügbar, kommt Tiefengeothermie zur Wärmeversorgung infrage, etwa im südbayrischen Molassebecken, im Oberrheingraben, aber auch in weiten Teilen Norddeutschlands.

Die einzige Wärmequelle, die mittels Wärmepumpen überall in großem Umfang kostengünstig erschlossen werden kann, ist die Umgebungswärme von Luft, Erdreich, Grundwasser und Fließgewässern. Wärmepumpen können zudem rückwärtslaufen und kühlen, was alle anderen Optionen nicht erlauben. Und da Windkraft- und Photovoltaikanlagen zu den kostengünstigsten und flächeneffizientesten Formen der Energieerzeugung gehören und ihr Betrieb in hinreichendem Einklang mit Natur- und Artenschutz erfolgen kann, ist die Wärmeerzeugung mit einer Wärmepumpe, die Wind- und/oder Photovoltaikstrom nutzt, in vielen Fällen die beste Option der Wärmeversorgung.

Die Wärmeversorgung über ein Wärmenetz ist oft am kostengünstigsten, weil verschiedene Wärmequellen und große Wärmespeicher mit geringen Verlusten genutzt werden können. Bislang ist in Deutschland jedoch nur ein kleiner Teil der Haushalte an ein Wärmenetz angeschlossen. Und nur ein kleiner Teil der Kommunen hat überhaupt ein Wärmenetz.

Um zu klären, in welcher Kommune ein Wärmenetz sinnvoll ist und welche Teile einer Kommune wie versorgt werden sollten, ist ein längerer Studien- und Planungsprozess erforderlich, in den Bürgerinnen und Bürger umfassend eingebunden werden sollten. Und idealerweise werden diese auch an den Investitionen in Anlagen und das Netz beteiligt. Als Organisationsform eignen sich Energiegemeinschaften, z. B. Energiegenossenschaften. Das EU-Recht schreibt seit mehreren Jahren vor, diesen durch nationale Gesetze einen größeren Gestaltungsspielraum zu geben und durch Abgabenbefreiungen zu fördern. Eine Verpflichtung, der Deutschland bis heute nicht ernsthaft nachkommt.

 

Fehler der „Ampel“ nach verlorenen Merkel-Jahren

Nach den verlorenen 16 Jahren der verschiedenen Regierungen unter Angela Merkel waren die größten Fehler der „Ampel“ bei der Wärmewende,

  • Energiegemeinschaften nach EU-Recht nicht sofort nach Regierungsantritt als privilegierte Organisationform ermöglicht und gefördert zu haben
  • Kommunen nicht sofort verpflichtet zu haben, Wärmepläne zu erstellen, und sie entsprechend finanziell auszustatten
  • über Heizungstechnologien zu diskutieren, bevor die Pläne erstellt sind
  • den sozialen Ausgleich durch ein Klimageld nicht umzusetzen.

Deutsche Großstädte sind nach einer unglückseligen Heizungsdebatte nun verpflichtet, bis Ende 2026 Wärmepläne vorzulegen, kleinere Städte sollen bis Mitte 2028 nachziehen. Bis kommunale Wärmepläne vorliegen und Wärmenetze gebaut werden, stellt sich die Frage, wie bis dahin geheizt werden soll.

Die Gasindustrie sieht ihr nahes Ende kommen und propagiert Wasserstoff, damit weiterhin Gasheizungen installiert werden. Nun wird Wasserstoff noch fast ausschließlich aus Erdgas gewonnen und ist mittelfristig weder hinreichend aus erneuerbaren Quellen verfügbar noch kostengünstig. Zum Heizen sollte er nicht verwendet werden. Dem Gasnetz steht ein weitgehender Rückbau bevor.

Darum gehört es zu den eklatantesten Fehlern der „Ampel“, völlig überdimensionierte Flüssigerdgas-Terminals bauen zu lassen – unter anderem in einem Naturschutzgebiet –, langfristige Lieferverträge für Erdgas abzuschließen und die Erschließung neuer Erdgasfelder zu unterstützen. Erdgas ist keine Brücke und die jetzt geplanten Infrastrukturen sind in den Sand gesetzt.

Wollte man das heute genutzte Erdgas 1:1 durch importierten erneuerbaren Wasserstoff ersetzen, bräuchte Deutschland 10 % der Fläche Marokkos zum Errichten von Windkraft- und Photovoltaikanlagen, um den benötigten Wasserstoff aus entsalztem Meerwasser herzustellen. Solange das nicht passiert, wird Wasserstoff weiterhin aus Erdgas gewonnen – und die Klimaerhitzung weiter angefacht.

 

Fazit: Kommunale Wärmepläne dringend nötig

Erdgas ist keine Brücke. Und Wasserstoff ist keine Option für die Wärmeerzeugung, denn seine Herstellung ist sehr ineffizient und darum auch mittelfristig teuer. Die Wärme wird am besten lokal aus einem Mix regional verfügbarer erneuerbarer Quellen erzeugt und über ein Wärmenetz verteilt. Anlagen und Netze sind am besten in der Hand von Energiegemeinschaften aus Bürgerinnen und Bürgern oder in der Hand eines kommunalen Energieversorgers.

Wer über seine Heizung entscheiden muss, bevor ein kommunaler Wärmeplan vorliegt, wählt am besten die kleinstmögliche Investition: eine gebrauchte Ersatzanlage oder eine nicht allzu teure neue Wärmepumpe. Wer sich sicher ist, dass das eigene Haus nicht an ein Wärmenetz angeschlossen wird, hat die Wahl: Solarthermie, Pelletheizung, Wärmepumpe oder eine Kombination davon. Und eine energetische Gebäudesanierung ist nie verkehrt.

 


Onlinetipps

Dr. Michael Stöhr
Energieversorgung: Dezentral – erneuerbar – gemeinschaftlich
ÖkologiePolitik, 27.11.2022
www.t1p.de/mt8ac

Deutsche Energie-Agentur (Hrsg.)
Modellierung sektorintegrierter Energieversorgung im Quartier
Untersuchung der Vorteile der Optimierung von Energiesystemen auf Quartiersebene gegenüber der Optimierung auf Gebäudeebene
April 2022
www.t1p.de/jt57r

Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE (Hrsg.)
Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem
Die deutsche Energiewende im Kontext gesellschaftlicher Verhaltensweisen
Februar 2020
www.t1p.de/uvlgu


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