Lernen von Dänemark
6. März 2024
Eine Schlüsseltechnologie für die Wärmewende sind Wärmepumpen. Mit denen lassen sich nicht nur kleine Gebäude versorgen, sondern inzwischen auch ganze Stadtteile. Dafür braucht es allerdings Fernwärmenetze. Die skandinavischen Länder, allen voran Dänemark, haben die vorbildlich ausgebaut.
von Ulrich Brehme
In unseren Haushalten haben wir bereits alle eine Wärmepumpe: den Kühlschrank. Er entzieht seinem Inneren Wärme und gibt sie nach außen ab. Zum Heizen eines Gebäudes wird mit einer Wärmepumpe der Umgebung Wärme entzogen und ins Gebäudeinnere abgegeben. Das Interessante daran: Eine Wärmepumpe kann einem Wärmeträger etwa viermal so viel Wärmeenergie entziehen wie sie elektrische Energie zum Betrieb benötigt. Das macht sie zu einer Schlüsseltechnologie für die Wärmewende im Gebäudesektor. Erfunden wurde sie bereits 1852 von William Thomson – bekannt unter dem Namen Lord Kelvin.
Kleine Wärmepumpen für Einzelgebäude
Wärmepumpen können die Wärme aus der Umgebungsluft, dem Boden, dem Grundwasser oder einem Gewässer entziehen. Wichtig ist, dass der Wärmeträger ausreichend verfügbar ist, sich regenerieren kann und sich kostengünstig erschließen lässt. Es gibt mittlerweile leistungsgeregelte Wärmepumpen, die ihre Heizleistung an den Wärmebedarf eines Gebäudes anpassen und dadurch effizienter arbeiten. Wärmepumpen arbeiten auch umso effizienter, je niedriger die zu erzeugende Vorlauftemperatur ist. Je niedriger die Vorlauftemperatur, desto größer muss aber die Heizfläche sein. Fußboden-, Wand- oder Warmluftheizungen sind dafür ideal. Der Nachteil: Sie sind sehr träge und lassen sich nur schwer regulieren. Das kann auch zu erhöhten Raumtemperaturen führen. Und jedes Grad mehr hat ungefähr 6 % mehr Energieverbrauch zur Folge.
Im Sommer kann die Wärmepumpe das Gebäude kühlen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die relative Luftfeuchte mit sinkender Temperatur steigt, da kühlere Luft weniger Wasser aufnehmen kann. Es bildet sich auf den Kühlflächen Kondensat. Um die Bildung von Schimmel zu vermeiden, muss die Luft entfeuchtet werden. Die relative Feuchtigkeit der Raumluft sollte zwischen 40 bis 60 % liegen. Die Bedeutung von Entfeuchtungsanlagen wird deshalb in Zukunft stark steigen. Sie bedürfen aber einer sorgfältigen hygienischen Kontrolle. Werden sie mit solarthermischen Anlagen betrieben, sinken die Stromkosten.
Wärmepumpen lassen sich sehr gut mit weiteren umweltfreundlichen Technologien wie Photovoltaik (PV), Stromspeichern, Solarthermie und Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung kombinieren. Mit einer leistungsgeregelten Wärmepumpe kann die elektrische Leistungsaufnahme der Wärmepumpe an das Angebot der PV-Anlage angepasst werden. Damit steigt der Autarkiegrad. Es gibt mittlerweile auch Kollektoren, die sowohl Solarthermie als auch PV integriert haben. Im Sommer kann eine Wärmepumpe die PV-Elemente kühlen, was deren Wirkungsgrad erhöht.
Große Wärmepumpen für Fernwärmenetze
Großwärmepumpen starten bei etwa 100 kW Leistung und können Leistungen von mehreren Megawatt erreichen. Damit lassen sich größere Gebäude, Wohnanlagen oder auch ganze Stadtteile über Fernwärmenetze heizen.
Bislang werden noch rund drei Viertel aller Wohngebäude in Deutschland mit Gas oder Öl beheizt. Fernwärme aus einem Heizkraftwerk nutzen erst 6 % aller Wohngebäude bzw. 15 % aller Wohnungen. Unter den großen Stadtnetzen war im 3. Quartal 2023 das in Köln mit 27 Cent/kWh am teuersten. Für ein durchschnittliches Einfamilienhaus bedeutet das Gesamtkosten von jährlich 4.850 Euro. Am günstigsten war die Fernwärme in Halle/Saale mit 12 Cent/kWh, was Gesamtkosten von 2.230 Euro bedeutet.
Manche Verbraucher werden gar keine Wahl haben. Denn damit der Ausbau der Fernwärmenetze wirtschaftlich ist, können Kommunen in ihrer Satzung einen Anschlusszwang an die Fernwärme vorschreiben. Hannover hat das getan: Seit Januar 2023 müssen Haushalte dort Fernwärme nutzen, wenn ein Anschluss möglich ist und an der alten Heizung „wesentliche Änderungen“ oder eine Erneuerung ansteht.
Skandinavische Länder sind Vorreiter
In Dänemark und Schweden wird schon sehr viel Heizwärme mit Großwärmepumpen aus der Ostsee gewonnen. In Kopenhagen versorgt das Fernwärmenetz 99 % der dortigen Haushalte. In ganz Dänemark immerhin schon zwei Drittel: 1,8 Mio. Haushalte in 400 Netzwerken. Bis 2028 sollen noch einmal 200.000 Haushalte hinzukommen. Nur in dünn besiedelten Gegenden müssen die Menschen ihr Haus selbst heizen.
Seit 1979 müssen die dänischen Kommunen Wärmepläne aufstellen. Mitte der 1980er-Jahre waren sie damit weitgehend fertig. Mehr als 75 % der Energie kommt heute aus erneuerbaren Quellen. 2010 war es weniger als die Hälfte. Bis 2030 sollen es 95 % sein. 53 % der Fernwärme stammt derzeit noch aus Biomasse – aber das soll sich ändern. In den nächsten 12 Jahren soll der Anteil mit Ökostrom betriebener Großwärmepumpen verzehnfacht werden: von heute 4 auf 40 %.
Im dänischen Esbjerg entsteht gerade die größte Meerwasserwärmepumpe der Welt. Die 60-MW-Anlage soll in den kommenden 35 Jahren 25.000 Haushalte versorgen. Der Strom kommt von Windkraftanlagen vor der Küste. 4.000 Liter Wasser pumpt die Anlage pro Sekunde aus der Nordsee, erzeugt für das Fernwärmenetz Temperaturen von 60 bis 90 °C und lässt das Wasser um 2 Grad kälter ins Meer zurückfließen.
In Schweden gibt es größere Verbundanlagen aus mehreren kleinen Meerwasserwärmepumpen. Die liefern 18 % der Wärme für die Fernnetze. In Aalborg wird eine mehr als doppelt so große Anlage gebaut, die 2027 in Betrieb gehen soll.
In Deutschland liegt der Anteil grüner Fernwärme bei 20 %. Das Wärmeplanungsgesetz setzt höhere Ziele: Bis 2030 sollen mindestens 30 % aus erneuerbaren Quellen oder unvermeidbarer Abwärme erzeugt werden, 10 Jahre später 80 %. Bei neuen Netzen müssen es gleich 65 % sein. Genutzt werden kann dafür auch Wärme von Industrieanlagen, Kläranlagen und Flüssen.
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Onlinetipps
Hendrik Kafsack
Dänen frieren nicht
FAZ, 02.12.2023
www.t1p.de/84iui
Julia Löhr
Wenn die Fernwärme zum Kostenrisiko wird
FAZ, 01.12.2023
www.t1p.de/oiux6