Die meisten Heizungsanlagen verbrennen fossile Energieträger. – Foto: David Karich/pixabay.com

Umwelt & Klima

„Der Weg zur Treibhausgasneutralität ist noch lang“

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Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg hat in den letzten Jahren die Wärmewende im Rahmen von zwei großen Forschungsprojekten intensiv untersucht. Es ging der Frage nach, welche Maßnahmen zu treffen sind. Und es warf auch einen aufschlussreichen Blick auf unsere Nachbarländer.

Interview mit Dr. Sara Ortner

 

ÖkologiePolitik: Frau Dr. Ortner, welche Bedeutung hat eine Wärmewende für Energiewende und Klimaschutz?

Dr. Sara Ortner: Der Wärmesektor hinkt bei der Energiewende drastisch hinterher. Während die erneuerbaren Energien 2023 erstmals über 50 % des Stromverbrauchs geliefert haben, liegt deren Anteil im Wärmebereich erst bei knapp unter 20 %. Um unsere Gebäude zu heizen, Warmwasser zuzubereiten, aber auch die notwendige Prozesswärme in der Industrie bereitzustellen, werden rund 1.400 TWh benötigt – 50 % des Endenergieverbrauchs in Deutschland! Der Weg zur Treibhausgasneutralität bis 2045 – dem erklärten Ziel der Bundesregierung – ist also noch lang.

Warum haben wir noch keine Wärmewende?

Die Wärmewende ist kleinteilig. Vor allem zum Heizen der Gebäude ist eine Vielzahl von einzelnen Investitionen notwendig: Insgesamt sind in Deutschland rund 20 Mio. Heizungsanlagen in Betrieb – großteils auf Gas oder Öl basierend. Diese sind in den nächsten Jahren auszutauschen. Erschreckend war, dass im letzten Jahr viele Kaufentscheidungen erneut zugunsten von Öl oder Gas getroffen wurden und diese Anlagen jetzt wohl mehr als 20 Jahre in Betrieb sein werden – obwohl mit dem CO2-Preis ein Instrument eingeführt wurde, das den Einsatz fossiler Energien perspektivisch teurer machen wird. Die hitzigen Diskussionen um das Gebäudeenergiegesetz hatten sicherlich viele Gebäudeeigentümer verunsichert und von erforderlichen Investitionen in erneuerbare Technologien abgeschreckt. Dabei ist der Einsatz von Wärmepumpen auch in den meisten Bestandsgebäuden möglich und oft die günstigste Alternative, wenn man die Gesamtkosten inklusive Betriebskosten betrachtet. Förderungen gibt es auch noch – erstmals auch für einkommensschwache Haushalte, sodass die persönliche Wärmewende für jeden möglich wird. Die Gebäudeeffizienz darf dabei nicht aus den Augen verloren werden. Dämmung, Fenstertausch und Flächenheizungen tragen dazu bei, die vorhandenen erneuerbaren Energien effizient zu nutzen. Eine weitere Herausforderung ist die Wechselwirkung mit bestehender Netzinfrastruktur für Strom, Wärme oder Gas: Stromnetze müssen den Einsatz von Wärmepumpen und Solaranlagen zulassen; der Aus- und Aufbau von Wärmenetzen wird erforderlich sein; und für die Vielzahl von Gasnetzen ist die Frage zu klären, ob und wann eine Stilllegung erfolgen soll.

Was wurde in Ihrem Forschungsprojekt „Wärmewende“ untersucht?

Aufbauend auf einem intensiven Stakeholder-Dialog, wurde ein Zielbild für die Wärmewende erarbeitet. Darüber hinaus wurde das Zielbild mit bestehenden Maßnahmen abgeglichen, Weiterentwicklungsvorschläge erarbeitet und neue Instrumente konzipiert. Wichtig war uns auch der Blick ins Ausland: Vor allem unsere nördlichen Nachbarn sind bei der Wärmewende schon weiter fortgeschritten – und Deutschland kann vieles davon lernen. Erfahrungen aus Dänemark zeigen, dass die Wärmeplanung eines der zentralen Instrumente für die Wärmewende ist. Sie verpflichtet Kommunen, systematisch zu analysieren, welche Art der Wärmeversorgung in welchem Ortsteil aus ökologischer und aus ökonomischer Sicht sinnvoll ist. Der Betrieb eines Wärmenetzes zahlt sich z. B. oft aus, weil erneuerbare Energien genutzt werden können, deren Erschließung für Einzelgebäude schwer möglich ist. Meist betrifft dies Wärmequellen, die einen effizienteren Einsatz von Wärmepumpen ermöglichen, wie z. B. die Nutzung von Energie aus Abwasser oder aus Flüssen. Dies gibt allen Akteuren wichtige Rahmenbedingungen für die notwendigen Investitionsentscheidungen. Erfahrungen aus Schweden und Finnland zeigen auch, dass Wärmepumpen dabei eine zentrale Rolle spielen und breit eingesetzt werden können – obwohl die Winter in diesen Ländern kälter sind als bei uns. Aufbauend auf den ausländischen Erfahrungen und den Erfahrungen in den Bundesländern – Baden-Württemberg z. B. hat bereits 2020 die verpflichtende Wärmeplanung eingeführt –, haben wir Vorschläge erarbeitet, wie eine Wärmeplanung für Deutschland durchgeführt werden kann.

Und wie geht es mit der Wärmewende in Deutschland weiter?

Was mich sehr freut: Die Wärmeplanung wird flächendeckend kommen. 2023 wurden in Deutschland zwei wichtige Gesetze für die Wärmewende verabschiedet: das Gebäudeenergiegesetz und das Gesetz für die Wärmeplanung. Die sind sehr eng verzahnt und sollen einen wesentlichen Beitrag zur Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien leisten. Im Gebäudeenergiegesetz ist darüber hinaus auch das Ende für den Einsatz fossiler Energieträger mit dem Jahr 2045 festgeschrieben. Vereinfacht dargestellt gilt, dass nach Vorliegen des Wärmeplans, der für große Kommunen bis Mitte 2026 und für kleine Kommunen bis Mitte 2028 zu erstellen ist, beim Tausch einer defekten Heizung die Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes gelten. Ab dann ist nur mehr die Installation von Anlagen zulässig, die mit mindestens 65 % erneuerbaren Energien betrieben werden. Ob das reicht, wird sich zeigen, wir alle sind jetzt gefragt, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und diese umzusetzen. Im Idealfall werden auf kommunaler Ebene alle Akteure – auch die Bürgerinnen und Bürger – in den Prozess der Wärmeplanung einbezogen, sodass ein lokales Zielbild für die Wärmewende entsteht, das anschließend von allen mitgetragen wird. Gelingt das, bin ich zuversichtlich, dass die Wärmewende jetzt kontinuierlich Fahrt aufnehmen wird.

Frau Dr. Ortner, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

 


Onlinetipps

Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu)
Zukunftsfähige Wärmeversorgungssysteme
Forschungsprojekt Oktober 2022 – April 2024
www.t1p.de/n1cqo

Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu)
Wärmewende: Die Energiewende im Wärmebereich
Forschungsprojekt Juni 2020 – Februar 2023
www.t1p.de/0vr5n

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
Dialog Klimaneutrale Wärme 2045
Ergebnispapier, Juli 2021
www.t1p.de/ljj3s


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