Krieg zur Lösung ökonomischer Probleme?
22. März 2023
Neben unseren ökologischen nehmen auch unsere ökonomischen Probleme stetig zu. Denn unsere Wirtschaft basiert auf dem Prinzip Wachstum. Das aber lässt sich angesichts ökologischer Grenzen nicht unendlich fortsetzen. Und die Verschuldung zur Erzeugung von Wachstum auch nicht. Was folgt daraus? Krieg?
Interview mit Prof. Dr. Christian Kreiß
ÖkologiePolitik: Herr Prof. Kreiß, in unserem letzten Interview sagten Sie unter anderem, ökomische Probleme seien schon des Öfteren mit einem Krieg „gelöst“ worden. Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Prof. Dr. Christian Kreiß: Vor dem Ersten Weltkrieg gab es eine ähnliche wirtschaftliche Schieflage wie heute: eine Überkapazität. Die Kaufkraft war zu gering, um alle Produkte absetzen zu können. Durch den Ersten Weltkrieg wurden Produktionskapazitäten in Europa vernichtet. Durch den Zweiten Weltkrieg ebenso. Danach herrschte eine kurze Phase Unterproduktion und dann eine lange Phase Gleichgewicht. Heute haben wir wieder Überkapazitäten. Seit den 1980er-Jahren kann der Massenkonsum aufgrund der zunehmenden Ungleichverteilung des Wohlstands mit der Produktionssteigerung eigentlich nicht mehr mithalten – und wurde deshalb durch immer neue Schulden künstlich angekurbelt. Doch wachsende Schuldenberge sind keine nachhaltige Lösungsstrategie, da diese Entwicklung nicht langfristig beibehalten werden kann. Der weltweite Schuldenberg beträgt derzeit etwa 250 % des Weltsozialprodukts. Das heißt überspitzt ausgedrückt: Ein Großteil der Menschheit müsste im Durchschnitt 2,5 Jahre ohne Lohn arbeiten, um diesen Schuldenberg abzutragen.
Sind nicht die Schulden der einen die Vermögen der anderen?
Ja sicher. Aber die Vermögenden wollen ihre privaten Vermögen nicht reduzieren, sondern mehren. Sie geben sie nicht freiwillig zum Abtragen der allgemeinen Schulden her. Und beeinflussen die Politik entsprechend.
Ist es nicht einfacher und zielführender, die Produktion bewusst zu senken, statt Produktionskapazitäten zu zerstören?
Welches Unternehmen senkt schon freiwillig seine Produktion? Wir haben ja keine Planwirtschaft, sondern eine Marktwirtschaft. Mit konkurrierenden Branchen und konkurrierenden Unternehmen. Alle Unternehmen – und auch ihre Besitzer, insbesondere eine überschaubare Zahl sehr reicher Familien – denken profitorientiert und nicht gemeinwohlorientiert, betriebswirtschaftlich und nicht volkswirtschaftlich. Wobei ja auch die Volkswirtschaften miteinander konkurrieren. Globalwirtschaftlich müsste gedacht werden. Aber das ist ja nirgends der Fall.
Die Zerstörung durch Krieg ist aber doch keine wirkliche Lösung.
Für diejenigen, die davon direkt betroffen sind, ist ein Krieg natürlich immer eine Katastrophe. Für diejenigen, die nicht direkt betroffen sind, jedoch nicht. Vor allem nicht, wenn sie davon profitieren. Im Zweiten Weltkrieg blühte z. B. in den USA zuerst die Rüstungsindustrie auf und in der Folge dann die restliche Wirtschaft. Ähnliches erleben wir gerade wieder: Nicht trotz, sondern wegen des Ukraine-Krieges feiern bestimmte Branchen und Konzerne Rekordgewinne. Und indirekt profitieren dann auch bestimmte Volkswirtschaften davon.
Dient der Ukraine-Krieg wirtschaftlichen Interessen? Oder dient der damit einhergehende Wirtschaftskrieg den militärischen Interessen?
Es handelt sich hier natürlich primär um einen militärischen Konflikt. Im Ernstfall haben immer die Militärs das Sagen. Und die interessieren sich eher wenig für die Interessen der Wirtschaft. Was aber nicht bedeutet, dass nicht einzelne Branchen und Unternehmen davon profitieren. Allen voran die Rüstungskonzerne. Aber auch andere. Und wenn wir das Ganze volkswirtschaftlich betrachten, dann erkennen wir, dass vor allem die europäischen Volkswirtschaften unter der Sanktionspolitik gegen Russland leiden, während z. B. die USA davon profitieren. Ob die USA deshalb diesen Krieg provoziert haben, wie manche behaupten, kann ich nicht beurteilen. Aber wenn die eigene Volkswirtschaft von einem Krieg enorm profitiert und konkurrierende Volkswirtschaften wie die Deutschlands geschwächt werden, dann ist die Motivation, mit Nachdruck nach einer Friedenslösung zu suchen, vielleicht eher gering. Erst recht vor Wahlen.
Herr Prof. Kreiß, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.
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