Eine resiliente Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen ist möglich. – Foto: Universität Hohenheim

Wirtschaft & Soziales

Energieversorgung: Dezentral – erneuerbar – gemeinschaftlich

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Die Sprengung der Erdgasleitungen Nord Stream 1 und 2 hat deutlich gemacht, wie verwundbar unsere noch weithin fossile Energieversorgung ist. Kann eine klima- und umweltfreundliche Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen sicher sein? Der Schlüssel liegt in der Quartierebene und in Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften.

von Dr. Michael Stöhr

 

Am 5. November 2017 gewann das von der ÖDP initiierte und geführte Bündnis „Raus aus der Steinkohle“ in München nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren den Entscheid für die Abschaltung des Steinkohleblocks des Heizkraftwerks Nord bis spätestens 31. Dezember 2022. Auch wenn der Block aus Gründen der Versorgungssicherheit vermutlich noch bis Ende 2024 mit deutlich gedrosselter Leistung am Netz bleiben muss, haben das Bürgerbegehren und der gewonnene Entscheid Wirkung gezeigt: Die Stromerzeugung sank von 1,5 TWh im Jahr 2016 auf 0,635 TWh im Jahr 2021 ab, also um 58 %. Entsprechend sanken die CO2-Emissionen des Blocks.

Ein klarer Beweis dafür, dass die ÖDP Politik gestalten und real Macht ausüben kann. Und ein klarer Beweis dafür, dass es ihrer bedarf. Denn die B90/Grünen, von denen viele ein solches Begehren erwarten würden, hatten sich zunächst zwei Jahre lang dagegengestemmt, bevor sie im Juli 2017 auf den fahrenden Zug aufsprangen.

Eine sichere Insel – aber nur für wenige Stunden

In der Diskussion über den Steinkohleblock argumentierten die Stadtwerke München (SWM) unter anderem, dass dieser für die Inselfähigkeit des Münchner Stromnetzes erforderlich sei, also für die Möglichkeit, München auch abgekoppelt vom vorgelagerten Netz mit Strom versorgen zu können, falls es in diesem zu Störungen kommt. Wie wenig dieses Argument zu Ende gedacht war, wurde mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine deutlich. Das Steinkohlekraftwerk benötigte bis zum erfolgreichen Bürgerentscheid 55 Güterzugwaggons voll Kohle pro Tag – zu einem großen Teil aus Russland. Die von den SWM angeführte Inselfähigkeit dank des Kohleblocks war immer nur eine für wenige Stunden, eben so lange, bis der nächste Güterzug mit Kohle München erreichen musste.

Die SWM planen nun seit einigen Jahren als Ersatz für den Kohleblock den Bau eines neuen Gasheizkraftwerks (GuD3), das zunächst mit Erdgas und später mit Wasserstoff betrieben werden soll, wobei offen ist, woher der Wasserstoff kommt. Welch schlechte Idee das ist, braucht nach der Sprengung der Erdgaspipelines Nord Stream 1 und 2 nicht mehr erläutert werden. Jede andere Pipeline könnte auf die eine oder andere Weise genauso getroffen werden, egal ob sie Erdgas oder Wasserstoff transportiert. Zwar gibt es in Deutschland wie in vielen europäischen Ländern gigantische Erdgasspeicher, aus denen immerhin einige Monate lang Heizkraftwerke wie GuD3 versorgt werden können, aber eben auch nicht länger. Sind sie leer und wird kein weiteres Erdgas oder Wasserstoff über irgendwelche Leitungen geliefert, stehen sie still. Aber immerhin: Ein paar Monate lang Wärme und Strom, sofern nicht gerade die Leitung zum nächsten Gasspeicher unterbrochen wird, ist mehr als nur ein paar Stunden lang.

Lokaler Mix erneuerbarer Energien schafft Resilienz

Der Kohleblock des Heizkraftwerks Nord in München dient in erster Linie nicht der Strom-, sondern der Fernwärmeversorgung. Und auch GuD3 ist dafür gedacht. Die ÖDP fordert in München dagegen seit Langem eine deutliche Beschleunigung der Nutzung der Tiefengeothermie und der Wärme des Grundwasserstroms unter der Stadt mittels Wärmepumpen. Mit beiden Technologien zusammen kann ganz München mit Wärme versorgt werden.

Für die Pumpen wird allerdings Strom benötigt. Der gesamte Strombedarf im Stadtgebiet kann nicht, vor allem nicht ganzjährig, aus im Stadtgebiet verfügbaren erneuerbaren Quellen alleine gedeckt werden. Infrage kommt da fast nur Solarstromerzeugung. Wird diese ausgebaut und um Energiespeicher ergänzt, kann je nach Ausbaugrad für einige Stunden oder Tage eine Notstromversorgung sichergestellt werden, mit der die Pumpen für die Wärmeversorgung und alle wichtigen Einrichtungen wie Krankenhäuser im Fall einer Unterbrechung der vorgelagerten Stromversorgung betrieben werden. So kann ganzjährig die gesamte benötigte Wärme und eine Notversorgung mit Strom unabhängig von Energielieferungen sichergestellt werden. Beschädigungen einzelner Anlagen, Speicher oder Leitungen würden nicht ganz München, sondern immer nur Teile betreffen. Ein wichtiger Schritt hin zu einer resilienten, sprich sicheren und gegen Beeinträchtigungen widerstandsfähigen Energieversorgung.

Mit Offshore-Windstrom von der Nordsee oder Solarstrom aus Nordafrika wäre nicht das gleiche Maß an Sicherheit gegeben. Ein Licht werfen die vermutlichen Anschläge auf die Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 nämlich auch auf das seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig wiederholte Argument, Solarstrom solle dort produziert werden, wo die Sonne besonders intensiv scheint, und Windstrom dort, wo Wind besonders kräftig weht. Will heißen: Not in my backyard! Bloß nicht in meinem Hinterhof! Ein gerne bemühtes Argument der Befürworter fossiler Energienutzung, die sich erhofften, die Nutzung erneuerbarer Energien so auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben zu können –, und die, nachdem dieses Ziel verfehlt wurde, wenigstens noch ein goldenes Ende ihrer fossilen Klimakiller heraushandeln wollen.

Aber lange Stromleitungen benötigen lange Planungs- und Bauzeiten und sind nicht nur teuer, sondern auch angreifbar. Solche linearen Infrastrukturen, die sich über Hunderte Kilometer erstrecken, seien unmöglich vollständig zu schützen, sagt der Schweizer Energie- und Risikoforscher Peter Burgherr vom Paul Scherrer Institut.

Erneuerbare Energie besitzen ein riesiges Potenzial

Das größte Potenzial zur Bereitstellung von Energie aus erneuerbaren Quellen haben Photovoltaik- (PV) und Windkraftanlagen. Wird die Energieversorgung weitgehend auf diese umgestellt und Strom im Wärme- und Mobilitätssektor genutzt, führt das zunächst zu einer deutlichen Effizienzsteigerung und einem deutlich geringeren Primärenergiebedarf des gesamten Energiesystems. Zum einen wandeln große fossile Kraftwerke nur etwas über 40 % der in den Brennstoffen steckenden Energie in Strom um, fast 60 % entweichen als Abwärme in Luft und Flüsse. PV und Windkraftanlagen brauchen keine Brennstoffe, der produzierte Strom ist die Primärenergie, zu 100 %. Zum anderen benötigen fossile Kraftwerke bis zu 10 % des von ihnen erzeugten Stroms zu ihrem eigenen Betrieb, PV- und Windkraftanlagen dagegen weniger als 1 %. Sowohl die Umwandlungsverluste als auch dieser Eigenbedarf entfallen, wenn der Strom aus PV- und Windkraftanlagen stammt.

Weitere Einsparungen an Primärenergie können erzielt werden, wenn PV- und Windstrom in batterieelektrischen Fahrzeugen und Wärmepumpen genutzt wird. Da Elektromotoren bis zu viermal effizienter sind als Verbrennungsmotoren, führt das zu einer deutlichen Einsparung. Gleiches gilt im Wärmesektor für Wärmepumpen, die Gas- oder Ölheizungen ersetzen.

Nutzt man aber den PV- und Windstrom zur Produktion von Wasserstoff und setzt diesen in Verbrennungsmotoren und Gasheizungen ein, wird aus der möglichen Einsparung ein Mehrverbrauch: Für ein mit Wasserstoff betriebenes Verbrennerfahrzeug wird zunächst etwa sechsmal mehr PV- und Windstrom benötigt als für ein batterieelektrisches Fahrzeug, für einen mit Wasserstoff befeuerten Gasbrennwertkessel etwa fünfmal mehr als für eine Wärmepumpe.

Vermeidet man den Fehler, Wasserstoff als Brenn- und Kraftstoff einzusetzen, ist der Primärenergiebedarf bei einer vollständig erneuerbaren Energieversorgung deutlich geringer als bei einer fossilen und nähert sich dem Endenergiebedarf, der aktuell um ein Viertel unter dem Primärenergiebedarf liegt. Weitere Suffizienz- und Effizienzmaßnahmen senken den Bedarf für energetische Zwecke (Strom, Wärme, Mobilität) auf etwa 1.750 TWh. Alleine mit Photovoltaikanlagen auf Gebäuden kann in Deutschland ziemlich exakt diese Energie erzeugt werden.

Auch mit Strom aus Windkraftanlagen kann grundsätzlich der gesamte Energiebedarf gedeckt werden. Nach einer gängigen Faustformel können auf 2 % der Landesfläche Deutschlands 200 GW Windkraftanlagen installiert und damit knapp 560 TWh Strom pro Jahr erzeugt werden. Insgesamt ist auf 5,8 % der Landesfläche der Betrieb von Windkraftanlagen mit Anwohner-, Arten-, Natur- und Landschaftsschutz gut verträglich, was die Produktion von 1.620 TWh Windstrom an Land erlaubt. Zusammen mit 210 TWh aus 70 GW Offshore-Windkraftanlagen macht das 1.830 TWh Windstrom, was ebenfalls den gesamten Energiebedarf decken kann – moderate Erzeugung von grünem Wasserstoff vorausgesetzt.

Photovoltaik und Windkraft: die ideale Kombination

PV-Anlagen produzieren grundsätzlich nur tagsüber, aber Windkraftanlagen produzieren in der Nacht mehr als am Tag. Weiterhin produzieren PV-Anlagen im Sommer mehr als im Winter. Auch hier ist es bei Windkraftanlagen umgekehrt. Beide Technologien ergänzen sich also gut im Tages- und Jahresverlauf. Als beste Kombination von PV- und Windkraftanlagen kann man diejenige ansehen, bei der am wenigsten Energie gespeichert werden muss, um ein Gebiet ganzjährig vollständig mit Energie zu versorgen. Denn Speicherung ist immer mit Energieverlusten und Kosten verbunden. Und Speicher benötigen Platz und Ressourcen.

Anfang der 2010er-Jahre war ein Szenario optimal, bei dem in Deutschland etwa ein Drittel des Stroms aus PV- und zwei Drittel aus Windkraftanlagen erzeugt wird. Das bedeutete die Nutzung von knapp 4 % der Landesfläche für die Windstromerzeugung.

Seitdem sanken die Kosten für PV-Anlagen schneller als die für Windkraftanlagen und auch Batteriespeicher wurden rasant billiger. Das verschob das Optimum hin zu einem höheren PV-Anteil. Kleinere Beiträge anderer erneuerbarer Energien, die nahezu kontinuierlich (Wasserkraft) oder flexibel (Biogas) verfügbar sind, verschieben das optimale Verhältnis von PV- und Windstromerzeugung ebenfalls zu mehr PV-Anlagen. Dennoch bleibt richtig: Auf den Mix kommt es an. Weitgehend unabhängig von vorgelagerter Energieversorgung können dann Gebiete sein, in denen der optimale Mix ungefähr erreicht wird. Aktuelle Studien für ganz Deutschland setzen meistens eine Nutzung von 2 % der Landesfläche für Windenergie an.

Deutschland kann also vollständig mit Energie aus erneuerbaren Quellen versorgt werden und damit auch vollständig widerstandsfähig gegen Unterbrechungen von Energielieferungen aus dem Ausland sein! Dieser Grad an Resilienz muss nicht zwingend erreicht werden. Kostengünstiger und ressourceneffizienter ist es, wenn weiterhin Energie mit dem Ausland ausgetauscht wird, was geringere Speicherkapazitäten erlaubt. Auch der Import von wasserstoffbasierten chemischen Grundstoffen, die mithilfe von PV- und Windkraftanlagen in trockenen, landwirtschaftlich nicht nutzbaren Gebieten des Südens produziert und als chemische Grundstoffe und Kraftstoffe für den Schiffs-, Flug- und Schwerlastverkehr verwendet werden, ist sinnvoll. Je mehr jedoch importiert wird, desto geringer ist die Resilienz Deutschlands.

Wichtig ist allerdings auch der Blick auf mögliche Störungen der Energieversorgung innerhalb Deutschlands. Ein neuralgischer Punkt sind hier die Stromtrassen von Nord nach Süd. Es genügt nicht, dass PV- und Windkraftanlagen irgendwo in Deutschland stehen und ein guter Mix beider Technologien im bundesweiten Mittel erreicht wird. Ein guter Mix muss auch jeweils im Norden und Süden und nach Möglichkeit in noch kleineren räumlichen Einheiten erreicht werden. Nur dann reichen die bestehenden (8,9 GW) und geplanten (7,6 GW) Nord-Süd-Übertragungsleitungen aus, um den gegenseitigen Ausgleich von PV- und Windstromerzeugung zu ermöglichen.

Der Verzicht auf Ausbau von Windkraft in Süddeutschland erhöht den zusätzlich zu den heutigen 8,9 GW Transportkapazität notwendigen Netzausbau von 7,6 GW auf 12,4 GW. Ein Netzausbau zieht sich jedoch über viele Jahre hin. Die Alternative ist ein zusätzlicher Bau von PV-Anlagen und Energiespeichern in Süddeutschland, verbunden mit erheblich höheren Kosten, Flächen- und Ressourcenbedarf – je mehr auf Windenergie verzichtet wird, umso mehr.

Bei einem solchen guten Mix von PV- und Windkraftanlagen in Nord- und Süddeutschland betragen die Kosten 7,6 ct/kWh (ohne Steuern und Abgaben), gemittelt über alle Energiearten und Verbraucher – so viel wie unsere Energieversorgung vor dem Ukraine-Krieg.

Schlüssel liegt in Quartierebene und in Energiegemeinschaften

Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass nicht nur eine vollständige Versorgung ganz Deutschlands aus erneuerbaren Energiequellen möglich und erschwinglich ist, sondern auch eine im Jahresmittel vollständige Versorgung von Wohn- und Gewerbequartieren aus erneuerbaren Energiequellen im Quartier und seinem Umland. Eine ganzjährige Inselversorgung ist jedoch nicht wünschenswert, sondern es ist ein gewisser Grad des überregionalen Energieaustauschs anzustreben.

Dennoch können bei entsprechender Ausgestaltung der Energieversorgung einzelne Quartiere zumindest für einige Zeit unabhängig von der vorgelagerten Energieversorgung sein, was sie sehr widerstandfähig gegen Unterbrechungen der überregionalen Energieversorgung macht. Dabei sind erstaunlich kleine Energiespeicher ausreichend: Bei einem urbanen Quartier mit Mischnutzung genügt eine Batterie von der Größe einer kleinen E-Autobatterie (26 kW) pro Gebäude. Eine auf Quartierebene optimierte Strom- und Wärmeversorgung ist mit mittleren Energiekosten (ohne Steuern und Abgaben) von etwa 8 ct/kWh ähnlich teuer wie eine auf der Ebene von ganz Deutschland optimierte. Die erheblich höhere Resilienz ist bezahlbar!

Eine reine Inselversorgung von Quartieren würde jedoch bedeuten, dass PV- und Windkraftanlagen oft abgeregelt oder der Strom sehr dezentral zur Wasserstoffproduktion genutzt werden müsste. Sinnvoller ist jedoch ein gewisser überregionaler Austausch von Strom und Wasserstoffproduktion an Orten, wo auch ein hoher und alternativloser Wasserstoffbedarf besteht und zugleich Abwärme auf einem hohen Temperaturniveau verfügbar ist, etwa in der Stahlproduktion.

Eine Quartierenergieversorgung ist in allen Fällen kostengünstiger als eine Optimierung auf der Ebene der einzelnen Gebäude. Der Held, der sich in seinem Einfamilienhaus dank großer, mit PV-Modulen und Solarkollektoren bedeckter Dachflächen und überdimensionierter Energiespeicher ganzjährig selbst mit Energie versorgen kann, ist nicht zur Nachahmung zu empfehlen – isolierte Gebäude im ländlichen Raum ausgenommen. Der Grund liegt im besseren lokalen Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch auf Quartierebene, was geringere Speichergrößen und -kosten nach sich zieht, sowie dem Zugang zu zusätzlichen Versorgungsoptionen wie Abwärmenutzung und Biogas- und Windstrombezug aus dem Umland.

Um mehr dezentrale Energieversorgung auf Quartierebene zu ermöglichen, empfiehlt die Deutsche Energieagentur, die zentralisierte national-regionale Planung des Stromsystems und die gebäudezentrierte Wärmeplanung durch eine integrierte Energiesystemplanung auf Quartierebene beziehungsweise lokaler Ebene als dritter Planungsebene zu ergänzen. Der regulative Rahmen sollte gemäß zwei Pfaden weiterentwickelt werden: Der erste Pfad besteht in der Weiterentwicklung der Regulatorik von Kundenanlagen, sodass diese für typische Quartiersstrukturen in Bezug auf Größe, Anzahl der angeschlossenen Letztverbraucher, Energiemengen und Anzahl der Gebäude anwendbar sind; der zweite Pfad in der Entwicklung einer Regulatorik zur Implementierung von lokalen Energiegemeinschaften.

Lokale Energiegemeinschaften: Damit sind hier Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften im Sinne der EU-Richtlinie für die Förderung erneuerbarer Energien gemeint. Ihr wesentliches Merkmal ist, dass sie ohne großen bürokratischen Aufwand gemeinsam Energie erzeugen, nutzen, speichern und teilen können, ohne dafür über Gebühr mit Abgaben belastet zu werden. Solche Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften sieht das deutsche Recht bislang nicht vor, womit Deutschland gegen EU-Recht verstößt. Somit sind zwar Mieterstrommodelle möglich, nicht aber Quartierstrommodelle, was vor allem einkommensschwache Haushalte benachteiligt, die selbst keine PV-Anlage betreiben können und nicht das Glück haben, in einem Gebäude zu wohnen, das sich für Mieterstrom eignet.

Welche genaue juristische Form Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften haben sollen, schreibt EU-Recht nicht vor. In Deutschland bietet sich jedoch die Genossenschaft an. Im Unterschied zu Stadtwerken haben Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften den Vorteil, dass sich die erforderlichen Investitionen auf eine große Zahl von Personen, Firmen und Organisationen verteilen, der Zugang vor allem zu Dach- und Fassadenflächen einfacher ist – und vor allem darin, dass die Bürgerinnen und Bürger aktiv in die Energieversorgung eingebunden werden. Optimal sind jedoch Kooperationen von Stadtwerken mit Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften, bei denen die Vorteile und Stärken von beiden zum Tragen kommen.

Fazit: Erneuerbare Energien ermöglichen resiliente Versorgung

Eine resiliente Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen ist bis auf die Quartierebene herab möglich und der Schlüssel zu ihr liegt in den Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften im Sinne der EU-Richtlinie für die Förderung erneuerbarer Energien in Kombination mit innovativen und kooperativen Stadtwerken. Damit kann auch im Fall größerer Unterbrechungen des überregionalen Austauschs von Energie für lange Zeiträume eine sehr weitgehende Deckung des Energiebedarfs ermöglicht werden.

Erforderlich sind dafür (1) ein möglichst guter Mix von PV- und Windkraftanlagen innerhalb der Region, (2) eine weitgehende Elektrifizierung des Verkehrs im Rahmen einer umfassenden Mobilitätswende und (3) eine Umstellung der Wärmeversorgung auf Tiefengeothermie, große Wärmepumpen, Solarthermie und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die ausschließlich erneuerbare Energieträger nutzen, bei einem hohen Anteil der Versorgung über Wärmenetze. Durch eine aktive Mitgestaltung der Kommunalpolitik hat es die ÖDP hier in der Hand, einige Weichen richtig zu stellen.

 

Dieser Artikel wird in einer Version mit Fußnoten und vollständigen Quellenangaben auf „orangeaktiv“ bereitgestellt.

 


Onlinetipps

Jochen Bittner, Alice Bota, Jörg Lau, Ingo Malcher, Paul Middelhoff, Marc Widmann
Wie verwundbar sind wir?
Zeit, 05.10.2022
www.t1p.de/5ni3z

Fraunhofer-Institut IEE (Hrsg.)
Flächenpotenziale der Windenergie an Land
Mai 2022
www.t1p.de/n2r2s

Deutsche Energie-Agentur (Hrsg.)
Modellierung sektorintegrierter Energieversorgung im Quartier
April 2022
www.t1p.de/jt57r

Fraunhofer-Institut ISE (Hrsg.)
Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem
November 2021
www.t1p.de/uvlgu

Energy Watch Group (Hrsg.)
100 % Erneuerbare Energien für Deutschland bis 2030
Mai 2021
www.t1p.de/x1axa


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