Mobilfunk frisst Rohstoffe und Energie
29. August 2022
Beim Mobilfunk werden vom Rohstoffabbau über die Nutzung bis zur „Entsorgung“ sehr viele kostbare Ressourcen benötigt und verbraucht. Der ökologische Rucksack ist gewaltig – und den wenigsten Nutzern bewusst. Er muss deutlich reduziert werden. Und er lässt sich reduzieren.
von Prof. Dr.-Ing. Wilfried Kühling
Die Gewinnung der Rohstoffe hinterlässt beim Abbau zum Teil große, nicht mehr nutzbare Flächen und erfolgt häufig unter menschenunwürdigen und gefährlichen Arbeitsbedingungen. Auch ist Kinderarbeit hierbei nicht selten. Und im Kongo wird mit den Verkaufserlösen des Coltan-Abbaus die Bewaffnung militärischer Gruppen finanziert. Entlang des Produktionsprozesses und bei der Nutzung von Anlagen und Geräten werden Materialien und Energie eingesetzt, deren Durchsatzmenge insgesamt zu oft erheblichen Verschmutzungen führt. Da echtes Recycling nur zu einem verschwindenden Teil gelingt, wird die eingesetzte Energie entwertet und verbrauchte Stoffe gehen zum großen Teil unwiederbringlich verloren.
Der Betrieb von Mobilfunknetzen und Mobilgeräten benötigt erhebliche Mengen elektrischer Energie. Zwar führt modernere Technik zur Energieeinsparung – bei Einsatz der 5G-Technik wird auch theoretisch pro übertragenem Bit im Idealfall nur ein 1/100 dessen benötigt, was bei 4G (LTE) verbraucht wird. Durch die erwartete Vervielfachung von Anwendungen sowie erheblich größere Anzahl erforderlicher Sendestationen entsteht jedoch ein enormer Zuwachs. Das macht den bekannten Rebound-Effekt aus.
Es wird geschätzt, dass der gesamte Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik etwa 3,7 % aller Treibhausgasemissionen weltweit ausmacht und diese damit mehr als doppelt so hoch sind wie in der zivilen Luftfahrt. Wäre das Internet ein Land, dann hätte es im Jahr 2020 bereits den sechstgrößten CO2-Ausstoß der Welt gehabt. Hinzu kommt, dass mehr als drei Viertel der Service-Provider jetzt drahtlose Festnetzzugänge anbieten. Gerade das mobile Herunterladen großer Datenmengen verschlingt deutlich mehr Ressourcen als bei Verwendung eines kabelgebundenen Breitbandnetzes, kritisiert das Umweltbundesamt.
Fest steht, dass Datentransport über Leitungen (insbesondere Glasfaser) immer deutlich effizienter ist als beim Mobilfunk. Dessen hohe Leistungsdichte ist nicht mehr erforderlich, wenn in Innenräumen z. B. neben einem Kabel-/Glasfaseranschluss die mobile Datenübertragung über moduliertes sichtbares Licht bzw. über Infrarot die der Gesundheit abträgliche Mikrowellentechnik ersetzen kann. Man spricht bei der optischen Drahtlosübertragung von „Li-Fi“ – abgeleitet vom englischen „Light Fidelity“. Auch die individuell mögliche Verstärkung des Mobilfunksignals im Innenbereich durch Repeater ist denkbar.
Da Glasfaser als die klimafreundlichste Übertragungstechnik gilt, müssen energieeffiziente Glasfasernetze bis in die Häuser hinein ausgebaut werden. Mobilfunkbetreiber werden zukünftig auch Standorte und Sendeeinheiten gemeinsam nutzen müssen (lokales Roaming). Das spart Energie und Ressourcen, weil Technik nicht mehrfach bereitgestellt und betrieben werden muss. So wie verschiedene Automarken die gemeinsam bereitgestellte Infrastruktur „Straße“ nutzen.
Aber auch die Verbraucherinnen und Verbraucher sind gefordert, den Daten- und Hardwarekonsum deutlich zu reduzieren und die Nutzungsdauer von Geräten zu verlängern. Deutlich hilft die Begrenzung und Verringerung übertragener Datenmengen, wenn das Streamen von Videos und Bildern nicht über den Mobilfunk, sondern über Kabel erfolgt. Helfen können dabei auch Vorschriften für die Herstellerseite, indem z. B. die Reparaturfähigkeit und Nachrüstbarkeit von Geräten und Software-Updates deren Lebensdauer verlängern oder die Standardauflösung von Videoinhalten grundsätzlich an der Größe des Displays von Endgeräten ausgerichtet wird.
Onlinetipps
Harald Lesch
Der Schatz in der Mülltonne
Das Recycling-Versprechen
ZDF, Leschs Kosmos, 06.09.2022
www.t1p.de/cb6xg
Wilfried Kühling, Peter Ludwig
Weißbuch Elektromagnetische Felder
Impulse für die gesundheits- und umweltverträgliche Gestaltung des technologischen Fortschritts im Bereich Mobilfunk/5G
Kompetenzinitiative, März 2022
www.t1p.de/1pjg0
Wilfried Kühling
Umweltauswirkungen durch Mobilfunk bewerten und steuern
Konkretisierung des Schutzniveaus für räumliche Gesamtplanungen und Umweltprüfungen
UVP-report, August 2021
www.t1p.de/cixbp
Wilfried Kühling
Wissenschaft verkehrt
oder: Wie Gesetzgebung und Vollzug wissenschaftliche Erkenntnisse missbrauchen
Umwelt Medizin Gesellschaft, Februar 2020
www.t1p.de/m6ne1