Verkehrswende: Mehr als verbesserte Technik
3. November 2019
Klimaschutz, saubere Luft, weniger Lärm – das sind die umweltpolitischen Herausforderungen, vor denen der Verkehrssektor steht. Was etablierte Umweltverbände seit Jahren fordern, bringt „Fridays for Future“ jetzt auf die Straße. Das Ziel der Verkehrspolitik muss vor allem sein: eine bessere Mobilität mit weniger klimaschädlichem Verkehr.
von Dorothee Saar
Der verkehrspolitische Stillstand der letzten Jahrzehnte erhöht den Druck, jetzt endlich entschlossen zu handeln. Verbindliche Vorgaben zur Luftreinhaltung werden seit ihrem Inkrafttreten 2010 anhaltend missachtet. 2011 hatte die Bundesregierung das Ziel verkündet, bis 2020 mindestens 1 Mio. Elektrofahrzeuge auf der Straße zu haben – aktuell sind es gerade einmal 83.000.
Die Bundesregierung ist klimapolitische Verpflichtungen eingegangen, löst diese aber nicht ein. Die Treibhausgasemissionen im Verkehr müssen bis 2030 um 40 bis 42 % gegenüber 1990 sinken, stagnieren bislang jedoch auf dem gleichen Niveau wie damals. Ein Grund ist, dass der Abstand zwischen den Herstellerangaben zum Kraftstoffverbrauch und dem, was die Fahrzeuge im realen Betrieb tatsächlich schlucken, in den vergangenen Jahren stetig gewachsen ist. Mittlerweile liegt die Lücke bei durchschnittlich 39 %, bei Dienstwagen, die den Großteil der Neuzulassungen ausmachen, sogar bei 42 %.
Nicht nur beim Mehrverbrauch, auch beim Abgasskandal wird das Versagen der Politik offenkundig: Fast vier Jahre nach Bekanntwerden des Abgasbetrugs von Volkswagen in den USA und der nachfolgend offenbarten umfassenden Verwicklung der gesamten Branche in diese Betrugspraxis sind noch immer Millionen Fahrzeuge mit einem Schadstoffausstoß auf unseren Straßen unterwegs, der den erlaubten Grenzwert zum Teil massiv überschreitet.
Verbindliche Anordnung für eine wirksame Reparatur der Fahrzeuge? Sanktionen gegen betrügerisch agierende Hersteller? Fehlanzeige! Obgleich die rechtlichen Mittel dafür bereitstehen würden – auch ohne eine Reform des Unternehmensstrafrechts, wie sie jetzt von der Bundesjustizministerin eingefordert wird.
Klimaschutz im Verkehr ist machbar und die erforderlichen Maßnahmen sind bekannt. Sie haben in der Regel positive Effekte auch auf andere Probleme: weniger Lärm, mehr Platz und mehr Sicherheit für Fuß- und Radverkehr, für öffentliches Leben insgesamt.
Im urbanen Raum steht mit dem öffentlichen Verkehr eine Alternative zur Verfügung. Er ist Kern einer zukunftsgerechten Mobilität. Es muss deutlich mehr als bislang investiert werden, um den Umstieg attraktiv zu machen. Die Deutsche Umwelthilfe fordert deshalb eine dauerhafte, deutlich verbesserte finanzielle Ausstattung des öffentlichen Verkehrs, den Ausbau der Infrastruktur und die Einführung eines 365-Euro-Tickets.
Viele Wege können mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Dafür braucht es ausreichend sichere Wege und eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen, die leider nach wie vor den motorisierten Verkehr bevorzugen. Für den Ausbau der Infrastruktur muss auch die Verwaltung gestärkt werden: ohne gute Planung keine gute Umsetzung.
Doch nicht alle können einfach in die Tram oder auf das Fahrrad umsteigen. Daher müssen die Autos, auf die wir noch angewiesen sind, so sauber wie möglich sein. Auch alternative Antriebe, deren Markthochlauf mit entsprechender Rahmensetzung vorangetrieben werden muss, brauchen Effizienzstandards – ein überdimensionierter Elektro-SUV ist kein Beitrag zur Verkehrswende, sondern ein einziges Ärgernis. Denn erneuerbare Energien – mit denen die Batterien geladen werden müssen, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten – sind ein kostbares Gut, ebenso wie die erforderlichen Rohstoffe für den Antrieb. Um den wachsenden Strombedarf aus erneuerbaren Quellen bezahlbar decken zu können, bedarf es einer Verringerung des Endenergiebedarfs und einer ehrlichen Ermittlung und Kennzeichnung der Verbrauchswerte.
Den Ausstieg Wirklichkeit werden lassen: Dazu muss Deutschland anderen Ländern folgen und ab 2025 keine reinen Verbrenner-Pkw in Deutschland mehr neu auf die Straßen bringen. Ansonsten wird sich der heutige Trend hin zu immer größeren SUVs mit mieser Klimabilanz fortsetzen.
Ein Tempolimit von 120 km/h auf der Autobahn und 80 km/h außerorts spart unmittelbar bis zu 5 Mio. Tonnen CO2 ein. Es schafft den Anreiz ab, die Motorisierung von Pkw immer weiter in absurde Höhen zu schrauben. Elektroautos werden attraktiver, denn sie sind als Leichtbau mit Tempolimit sicherer und länger unterwegs. 30 km/h innerorts verringert die Lärmbelastung und erhöht zudem die Verkehrssicherheit.
Unserem Steuersystem fehlt bislang der Anreiz zum Kauf effizienter und sparsamer Fahrzeuge. Daran ändern auch Kaufprämien nichts. Das betrifft etwa die Subventionierung des Dieselkraftstoffs sowie die Dienstwagenregelung, die es ermöglicht, auch Fahrzeuge mit hohem CO2-Ausstoß und deren Kraftstoffverbrauch steuerlich abzusetzen. Eine CO2-Bepreisung ist daher ein wichtiges Instrument für Klimaschutz und muss im Verkehrssektor als maßgeschneidertes Konzept kommen, das Anreize zur Nutzung CO2-ärmerer Verkehrsmittel schafft.
Klimaschutzpolitik im Verkehrsbereich braucht die Wende, die mehr ist als verbesserte Technik und alternative Antriebe. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch, ihre Umsetzung wird durch wachsendes zivilgesellschaftliches Engagement eingefordert. Verantwortliche in Politik und Industrie müssen endlich aufwachen und sich den Herausforderungen stellen. Sie müssen endlich zeigen, dass und wie es geht, wenn sie nicht länger als Feinde des Wandels gelten wollen.
Onlinetipps
Deutsche Umwelthilfe
Klagen für saubere Luft
Hintergrundpapier, Juli 2019
http://www.duh.de/publikationen/publikationsarchiv/
DUHwelt
Mobilität: In Zukunft anders
Magazin, Ausgabe 1/2019
http://www.duh.de/publikationen/duhwelt/