„So viele Menschen wie möglich informieren“
2. Januar 2019
Mit dem Klimawandel ist es wie mit der Ernährung: Alle reden darüber, jeder hat eine Meinung dazu, doch kaum jemand hat wirklich eine Ahnung von der hochkomplexen und schwierigen Materie. Zum Jahresende 2018 erschien ein weiteres Buch zum Klimawandel – geschrieben nicht von Klimaforschern, sondern von zwei Studenten der Wirtschaftswissenschaften: David Nelles und Christian Serrer.
Interview mit David Nelles und Christian Serrer
ÖkologiePolitik: Wie genau sind Sie auf den Gedanken gekommen, ein Buch über den Klimawandel zu schreiben – es gibt ja schon einige dazu? Was ist bei Ihrem Buch anders?
David Nelles: Wir saßen vor ungefähr anderthalb Jahren in der Mensa unserer Universität und haben über den Klimawandel diskutiert. Ehrlich gesagt mussten wir ziemlich schnell feststellen, dass wir nicht wirklich wussten, was Sache ist. Um uns einen Überblick über das Thema zu verschaffen, wollten wir uns in einer lokalen Buchhandlung ein Buch zum Klimawandel kaufen – hatten aber nicht wirklich Lust dazu, ein dickes Fachbuch zu lesen. Wir suchten ein Buch, dass die Dinge auf den Punkt bringt und dabei auch noch Spaß beim Lesen macht. So ein Buch haben wir nicht gefunden. Und da haben wir uns kurzerhand dazu entschlossen, es selbst zu schreiben. Das Besondere an unserem Buch ist, dass die Texte sehr kurz und alle Fakten wissenschaftlich belegt sind. Trotzdem sind die Inhalte leicht verständlich. Und durch die zahlreichen anschaulichen Grafiken soll es Spaß machen, das Buch zu lesen.
Wie sind Sie bei Ihrer Recherche vorgegangen? Was war das Erstaunlichste, das Sie dabei herausgefunden haben?
Christian Serrer: Am Anfang haben wir sämtliche wissenschaftliche Publikationen gelesen, die uns unter die Finger gekommen sind. Schnell mussten wir allerdings feststellen, dass es natürlich passieren kann, dass wir Themen vergessen – oder sich im schlimmsten Fall Fehler in unsere Texte einschleichen. Erfreulicherweise konnten wir über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Fachbereichen für unser Projekt begeistern, die unsere Texte gegengelesen haben und uns bei jeglichen Fragen als Ansprechpartner zur Seite standen. Am meisten erstaunt hat uns, wie weit die öffentliche Debatte von der Wissenschaft entfernt ist. Zum einen ist wissenschaftlich bereits längst geklärt, dass wir Menschen durch unseren Treibhausgasausstoß für die globale Erwärmung verantwortlich sind – in der öffentlichen Debatte wird dies immer wieder angezweifelt. Besonders überrascht hat uns aber, wie vielfältig die Auswirkungen des Klimawandels für uns Menschen sind. Denn dieser bedeutet mehr als „nur“ schmelzende Gletscher und steigende Meeresspiegel. Beispielsweise hat der Klimawandel enorme Auswirkungen auf unsere Gesundheit und verursacht volkswirtschaftliche Kosten, die in keinem Verhältnis zu den Kosten für Klimaschutzmaßnahmen stehen. Über diese Erkenntnisse wird in der öffentlichen Debatte kaum gesprochen.
Ihnen war auch wichtig, dass das Buch klimaneutral produziert wird, aber trotzdem für jeden erschwinglich ist. Wie haben Sie das hingekriegt?
David Nelles: Für uns war von Anfang an klar, dass wir mit unserem Buch so viele Menschen wie möglich über den Klimawandel informieren wollten. Dazu sollte der Buchpreis kein Hindernis darstellen, weshalb wir beschlossen haben, dass unser Buch nicht mehr kosten darf als eine Pizza. Gleichzeitig war uns aber auch wichtig, dass unser Buch nach höchsten Umweltstandards und als Hardcover gedruckt werden sollte. Diese Bedingungen hätten wir nicht in der Zusammenarbeit mit einem Verlag durchsetzen können. Stattdessen haben wir unseren eigenen Verlag gegründet und alle dazugehörenden Aufgaben wie Finanzierung, Druck, Marketing etc. selbst übernommen. Nur so konnten wir einen Buchpreis von 5 Euro ermöglichen.
Wird der Klimaschutz heute tatsächlich konsequent und zielorientiert verfolgt? Welchen Eindruck gewannen Sie bei Ihren Recherchen?
Christian Serrer: Zum einen gibt es natürlich gut gemeinte Maßnahmen, die aber leider viel zu oft nur symbolische Gesten sind. Wenn sich Regierungen weltweit nicht bald fest dazu verpflichten, ihre Emissionen zu verringern, wird das 2-Grad-Ziel nicht eingehalten werden können. Zum anderen gibt es aber auch viele gute Ansätze, bei denen sich Bürger oder Unternehmen für den Klimaschutz starkmachen und in Eigenregie versuchen, ihre Treibhausgasemissionen zu verringern. Beispielsweise in der Initiative „Fossil Free“, die sich dafür einsetzt, dass öffentliche Einrichtungen nicht mehr in fossile Unternehmen investieren, oder in der „Bürgerlobby Klimaschutz“, die auf einen nationalen CO2-Preis hinwirkt.
Was waren Ihre wichtigsten Erkenntnisse? Und haben sich Ihre Lebensgewohnheiten verändert?
David Nelles: Ja, wir haben unser Verhalten sehr geändert. Zugegebenermaßen waren wir noch vor anderthalb Jahren leidenschaftliche Fleischesser und sind nun dazu übergegangen, nur noch einmal pro Woche Fleisch zu essen. Auch haben wir auf Ökostrom gewechselt – wohl die einfachste Möglichkeit, die Energiewende mitzugestalten. Daneben setzen wir auf öffentliche Verkehrsmittel und unser Fahrrad. Wichtig ist uns allerdings zu betonen, dass wir niemanden missionieren wollen. Was wir wollen, ist zu motivieren, an einer Stelle anzufangen und zu versuchen, seinen eigenen Treibhausgasausstoß zu reduzieren. Dabei wird man schnell merken, dass dies nichts mit Verzicht von Lebensqualität zu tun hat, und es werden weitere Schritte folgen. Vor allem motiviert man durch sein eigenes Verhalten auch andere Menschen dazu, ihr Verhalten zu überdenken, und hat damit einen weit größeren Einfluss als nur die Reduktion der eigenen Emissionen. Dies funktioniert unserer Meinung nach sowohl auf persönlicher wie auch auf globaler Ebene, wenn wir das Verhalten von Staaten betrachten. Unsere wichtigste Erkenntnis dabei war, dass das Verhalten des Einzelnen sehr wohl einen Einfluss hat. Denn wenn alle Deutschen ihren Treibhausgasausstoß um ungefähr 1,4 Tonnen CO2 reduzieren würden, könnte Deutschland sogar noch die Klimaziele 2020 erreichen. Allein der Verzicht eines Fluges von Berlin nach Mallorca und wieder zurück spart über eine Tonne und ein Vegetarier stößt im Jahr ungefähr eine Tonne weniger CO2 aus als der durchschnittliche Fleischesser in Deutschland. Wir haben mit unserem Verhalten also durchaus einen Einfluss!
Denken Sie, dass Sie Ihre Erkenntnisse im Studium und später im Arbeitsleben nutzen können?
Christian Serrer: Auf jeden Fall! Das Thema „Klimawandel“ ist uns mittlerweile eine Herzensangelegenheit geworden und wir werden uns für die Reduktion des Treibhausgasausstoßes in unserem Berufsleben einsetzen. Ob dies in einem Unternehmen zum Vorantreiben erneuerbarer Energien oder neuen Technologien wie Carbon Capture sein wird oder eher bei der Veränderung politischer Rahmenbedingungen steht allerdings noch nicht fest. Im Studium versuchen wir das Thema Nachhaltigkeit, wann immer es geht, zu integrieren, was bisher auch ganz gut geklappt hat.
In Ihrem Buch geben Sie auch Hinweise darauf, was jeder von uns für den Klimaschutz tun kann. Was sind die wichtigsten?
David Nelles: Besonders wichtig sind folgende sechs Maßnahmen: (1.) Weniger Fleisch essen, denn Vegetarier sparen im Vergleich zum Durchschnittsesser bis zu 0,9 Tonnen Treibhausgase pro Jahr, Veganer sogar 1,1 Tonnen. (2.) Weniger Fliegen, denn bei einem Flug von Berlin nach Mallorca werden beinahe so viele Treibhausgase ausgestoßen, wie jeder Mensch in Deutschland einsparen müsste, um das Klimaziel 2020 noch zu erreichen. (3.) Wann immer es geht das Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel benutzen. (4.) Ökostrom beziehen. (5.) Verschwendung vermeiden und Produkte länger nutzen und reparieren. (6.) Wählen und demonstrieren gehen, denn auf rund die Hälfte unseres Treibhausgasausstoßes in Deutschland haben wir als Konsumenten keinen direkten Einfluss. Diese Hälfte lässt sich nur durch Veränderungen in Politik und Wirtschaft reduzieren.
Herr Nelles, Herr Serrer, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.
Buchtipp
David Nelles, Christian Serrer
Kleine Gase, große Wirkung
Der Klimawandel
Verlag KlimaWandel, Dezember 2018
128 Seiten, 5.00 Euro
978-3-9819-6500-1