Neues aus dem Europaparlament
19. November 2018
Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Das Thema Menschenrechte hat mich in den vergangenen Monaten wieder sehr beschäftigt. Im September habe ich mich mit einer Gruppe von Bürgern aus Hongkong getroffen, die mir über die Situation der Menschenrechte vor Ort berichtet haben. Im Jahr 1997 wurde Hongkong als britische Kolonie aufgelöst und der Volksrepublik China übergeben. Seitdem ist es eine chinesische Sonderverwaltungszone unter Beibehaltung einer freien Marktwirtschaft und hoher innerer Autonomie. In Hongkong ist die Schere zwischen Arm und Reich sehr weit aufgegangen: Der Anteil der Millionäre und Milliardäre ist in Hongkong so hoch wie sonst nirgends auf der Welt, demgegenüber leben aber rund 20 % der Menschen deutlich unter der Armutsgrenze. Die Kritik an diesen sozialen Missständen und der Ruf nach mehr demokratischer Mitbestimmung bilden die Hauptthemen der Proteste und Demonstrationen in jüngster Zeit. Den Kontakt zu den Bürgern aus Hongkong hatte die Gesellschaft für bedrohte Völker hergestellt. Ich finde es enorm wichtig, mich regelmäßig mit NGOs, die sich für Menschenrechte einsetzen, auszutauschen. Nur gemeinsam können wir Druck auf Regierungen machen und den von Menschenrechtsverletzungen Betroffenen zeigen, dass wir an ihrer Seite stehen.
Auch die Situation im Iran bereitet mir Kopfzerbrechen. Das wichtigste Ziel ist und bleibt es, ein nukleares Wettrüsten im Mittleren Osten zu verhindern. Die Europäische Union setzt sich geschlossen für die Aufrechterhaltung des Nuklear-Abkommens ein, auch wenn die USA dieses Abkommen einseitig aufgekündigt haben. Insbesondere müssen die europäischen Unternehmen, die im Iran investieren, Planungssicherheit haben und notfalls von der Europäischen Investitionsbank finanziell unterstützt werden – auch gegen den massiven Sanktionsdruck der USA. Der Iran hat sich nachweislich an alle Verpflichtungen des Atom-Abkommens gehalten, der Schritt der Amerikaner, die Verträge zu kündigen, war ein großer Fehler.
Kommentiert habe ich auch die Rede von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Dieser hat zwar recht, wenn er sagt, dass wir uns gegen antieuropäische Kräfte innerhalb und außerhalb Europas stellen müssen. Aber die Antwort darauf kann nicht eine stärkere Militarisierung sein. Juncker legt in seiner Rede einen besonderen Fokus auf die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten und fordert, Handelsverträge auf Augenhöhe auszuhandeln. Diese Idee ist zwar gut, aber die aktuellen Verhandlungen der Verträge mit afrikanischen Staaten zeigen genau das Gegenteil: Der afrikanische Markt soll mit hochsubventionierten europäischen Produkten geflutet werden und so die einheimische Wirtschaft zerstören. Das ist kein Handel auf Augenhöhe!
Ich setze mich für einen fairen Handel ein, der das Gemeinwohl vor die Interessen der Großkonzerne stellt. Die Parlamente müssen über die Verträge frühzeitig informiert werden und dann darüber abstimmen. Das Vorsorgeprinzip muss verankert werden und Bürgerinnen und Bürger sowie Vertreter der Zivilgesellschaft müssen in die Verhandlungen mit einbezogen werden. Auf die Wahrung der Menschenrechte muss ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Nur so funktioniert eine Handelspolitik „auf Augenhöhe“.
Es grüßt Sie Ihr
Prof. Dr. Klaus Buchner