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Demokratie & Recht

Brexit: Chance zur inhaltlichen Reform

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Die Brexit-Entscheidung war für die EU ein Schock. Die EU sollte den Beschluss aber akzeptieren und bei den Austrittsverhandlungen keine faulen Kompromisse eingehen, sondern konsequent ihre eigenen Interessen verfolgen. Schließlich eröffnet der Brexit auch neue Handlungsspielräume, um Defizite in Sozialpolitik und Demokratie zu beheben.

Es wäre ein Fehler zu glauben, der Brexit sei Sache alleine der Briten. Ein noch größerer Fehler wäre die Annahme, ab jetzt gehörten die Briten zum US-amerikanischen Handelsraum. Sollte es jemals so weit kommen, werden die USA schnell feststellen, dass sie im United Kingdom (UK) auf bürokratischen Granit beißen: keine Wildnisse, keine Wüsten, keine Prärien, keine Schachbrett-Siedlungen, keine ganz auf Autoverkehr optimierte Stadtplanung, dafür kleinteilige Landwirtschaft, viel Denkmalschutz, gut ausgebaute und auf Personenverkehr optimierte Eisenbahnnetze, zahlreiche Naturschutzgebiete, die sich ihren Raum mit historischen Städten teilen, und vor allem Menschen, die sich als Bedenkenträger verstehen. Das UK ist durch und durch europäisch. Irgendwann wird es zur europäischen Familie zurückfinden – davon können wir ausgehen. Doch zunächst kommt nun der Bruch. Und der ist für die EU eine schwierige Aufgabe.

Nur transnationale Zusammenarbeit ist vernünftig

Europa-Skepsis grassiert mittlerweile überall. Europa-Skeptiker regieren nicht nur im UK, sondern auch in Italien, Österreich, den Niederlanden, Dänemark, Schweden und den sogenannten Visegrád-Staaten. Bei einem Drittel der Mitglieder des Europäischen Rates scheint Trumps „Me First“-Ideologie aufgegangen zu sein. Und der selbst ernannte Populisten-Anführer Steve Bannon hat angekündigt, in Brüssel eine Stiftung zur Förderung der „Me First“-Ideologie zu gründen – rechtzeitig zur kommenden Europawahl. Manche Stimmen in den Medien argwöhnen, die EU sei schon jetzt am Ende.

Doch es gibt auch Gegenbewegungen. Die „Me First“-Ideologie ist nur eine nationalistische Variante des neoliberalen Kerngedankens „Jeder ist jedermanns Konkurrent“ – und die kommt immer mehr in Verruf. Den Konkurrenzkampf der international agierenden Konzerne auf eine nationalstaatliche Ebene zu transformieren, ist keine zukunftsfähige Lösung. Trotzdem wird sie von Trump und den politischen Kräften um ihn herum verfolgt und propagiert. Umweltpolitik ist ihnen vor allem auch deshalb ein Dorn im Auge, weil diese sich nur durch eine transnationale Zusammenarbeit verwirklichen lässt. Da sind die USA dann plötzlich nur einer von vielen und nicht mehr der alles bestimmende Weltpolizist.

Eine transnationale Zusammenarbeit ist die einzig vernünftige Vorgehensweise, um für die großen ökologischen Herausforderungen tragfähige Lösungsstrategien entwickeln zu können. Dies muss der Leitgedanke der Europapolitik sein – und gerade von einer Partei wie der ÖDP betont werden! Es gilt, dafür Überzeugungsarbeit zu leisten und dies in die Fußgängerzonen der Republik zu tragen! Es lohnt sich, für eine Weiterentwicklung der EU zu kämpfen! Ihre Anliegen kann die ÖDP auch durch Direkte Demokratie nach Vorbild der erfolgreichen europäischen Bürgerinitiative „Right2Water.eu“ in Europa einbringen und verankern.

Freihandelsabkommen wäre schädlicher Kompromiss

Eine 1:1-Umsetzung des von den Briten kürzlich erlassenen Withdrawal Act würde die EU in einen Freihandelsklub verwandeln, der mit einem gewaltigen bürokratischen Aufwand den Warenverkehr zwischen EU und UK regelt. Hinzu käme ein Dauerstreit zwischen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und den britischen Gerichten, die dem EuGH gleichgestellt wären. Und EU-Bürger könnten gegenüber Briten behördlich diskriminiert werden. Der Withdrawal Act sollte die Hard Brexiteers in der Tory-Partei befriedigen, doch wurde die Rechnung „Austrittsabkommen“ ohne den Wirt „EU“ gemacht. Das britische „Weißbuch“ würde die EU verwandeln – und die Ziele des Europaprogramms der ÖDP ins Abseits befördern.

Wovor wir wirklich Angst haben sollten: Die EU sucht angesichts der zunehmenden EU-Skepsis und ihrer Schwächung durch den Brexit nach Legitimierung. Fatalerweise sind es die EU-Technokraten, die hierbei den Ton angeben. Premierministerin Theresa May dürfe auf keinen Fall durch eine politische Krise von den Hard Brexiteers aus dem Amt gekippt werden, heißt es – eine politische Aussage, die nichts mit der künftigen Gestaltung der EU und den Interessen der EU-Bürger zu tun hat. Im britischen Parlament bilden die bekennenden „Europa-Versteher“ um Ken Clarke und Anna Soubry eine winzige Minderheit, in Brüssel dagegen hat fast jeder für die Engländer Verständnis – ein politischer Missstand!

Die politische Unterstützung der EU-Unterhändler um Michel Barnier durch die EU-Staaten ist augenblicklich als Lippenbekenntnis einzustufen. Die Gefahr, dass sich die EU ans UK anpasst, ist alles andere als gebannt. Unter den Regierungen der EU-Staaten finden etliche Gefallen daran, die EU zu schwächen. Dazu taugt ein im verschlafenen Zustand zusammengeschusterter Brexit-Kompromiss allemal. Die Schwächung der ohnehin schwachen EU ist ausdrücklicher Wunsch der Hard Brexiteers. Sie wähnen die Zeiten zurück, in denen das UK den Welthandel bestimmte. Der Freibeutergeist der alten Seeräuber wird hochgepriesen. Dies ist nicht im Sinne der EU und ihrer Mitgliedsstaaten.

EU braucht sozialpolitische und demokratische Korrekturen

Das Europaprogramm der ÖDP bekennt sich zu einer korrektiven Stärkung der EU in den Bereichen „Sozialpolitik“ und „Demokratie“. Die Machbarkeit wird durch den Abgang der Briten viel einfacher, weil diese hier immer gebremst haben. Diese Ziele sollte die EU-Politik rund um den Brexit bestimmen, statt irgendwelche faulen technokratischen Kompromisse einzugehen, um das unwillige UK vermeintlich weiterhin an die EU zu binden. Lasst uns Europäer den Mut aufbringen, dem Brexit ganz ruhig entgegenzusehen und dabei die Interessen des Mitgliedes Irland zu schützen! Um dieses zu gewährleisten, muss Nordirland zwingend in eine Zollunion mit der EU eingeschlossen werden – entsprechend dem Karfreitagsabkommen von 1998, das nunmehr für die gesamte irische Insel identitätsstiftend ist. Nicht nur den Briten, sondern auch uns stehen anstrengende Tage bevor.

 

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