Smart City – auf dem Weg zur Post-Voting Society?
27. August 2018
Mobilfunkgipfel, Berlin, Juli 2018: Es naht Erlösung von quälend lahmer Internetanbindung, endlich Breitband und schnelles Internet für alle. Deutschlandweit sollen mit Hochdruck die Infrastrukturen für Smart Citys mit Glasfaser und 5G-Mobilfunk aufgebaut werden; vernetzte Städte, in denen der Datenfluss die Grundlage der Organisationsstruktur und politischen Steuerung ist.
Auf Wikipedia ist zu lesen: „Die hochentwickelte Smart City kann ein Internet of Things and Services sein: Die gesamte städtische Umgebung ist dabei mit Sensoren versehen, die sämtliche erfassten Daten in der Cloud verfügbar machen. So entsteht eine permanente Interaktion zwischen Stadtbewohnern und der sie umgebenden Technologie. Die Stadtbewohner werden so Teil der technischen Infrastruktur einer Stadt.“ Daten für dieses BigData-System liefern auch die Einwohner über das Internet der Dinge, über die vernetzten Geräte in ihrem Smart Home: Smart Meter, Smart Grid, Alexa, intelligenter Kühlschrank, vernetzter Fernseher, Saugroboter, Smartphones, Tablet-PCs, Google, Facebook, Twitter, Instagram und WhatsApp. Algorithmen verarbeiten in Echtzeit die Daten und erstellen von jedem Bürger einen digitalen Zwilling als Grundlage für die Steuerung des Zusammenlebens. Das hat Folgen für die Demokratie, die Umwelt und die Entwicklung des Individuums! Die Smart-City-Planungen von Industrie und Bundesregierung bekamen 2018 von der Organisation „Digitalcourage“ den „BigBrotherAward“ verliehen. Grund genug, hier genau hinzuschauen.
Reales Szenario: digitale Profile für Konsum
Die „Stuttgarter Zeitung“ beschrieb im Artikel „Sie kennen unsere geheimsten Wünsche“: „Als Lisa nach einem langen Arbeitstag ein Modegeschäft betritt, erscheint auf dem Display neben dem Eingang das Kleid, das sie sich am Wochenende im Internet angeschaut hat. Das Model sieht ihr überraschend ähnlich – und das Kleid steht ihr hervorragend. Nach Arbeitstagen wie diesen wird sie schwach, das weiß das System … Gleichzeitig nähert sich ihr eine Verkäuferin, Kleid und Handtasche bereits über dem Arm, und fragt freundlich: Guten Abend, Frau Schulze, schön, dass Sie da sind. Wollen Sie das Kleid anprobieren?“ Lisas digitaler Zwilling, kreiert durch ihr Smartphone, WLAN und Google, organisiert ihr Leben.
Reales Szenario: digitale Profile für Wohlverhalten
Die „Neue Zürcher Zeitung“ berichtete im Artikel „Willkommen in der smarten Stadt – wo die Diktatur der Daten herrscht“: „Im südkoreanischen Songdo ist eine futuristische Planstadt entstanden, die sich weitgehend selbst regulieren soll. Millionen Sensoren liefern Daten an einen Zentralrechner, der die städtischen Dienste so effizient wie möglich steuert … Für Planer sind Städte wie Songdo City ein Labor, in dem sich mit modernster IT Gesellschaftsentwürfe erproben lassen – ein digitales Utopia … Der Dataismus macht alles gleichförmig: vom Abfall über den Verkehr bis hin zur Politik. Der Bürger ist im Kontrollnetzwerk der Smart City bloß ein Datenpaket.“ In China wird 2020 das „Social-Score-System“ eingeführt, das den Grad der Angepasstheit misst. Das digitale Profil des chinesischen Smart-City-Bewohners, klassifiziert von Algorithmen, entscheidet über seine gesellschaftliche Teilhabe, ob er reisen, die Bibliothek benutzen, einen Kredit beantragen, ein Bankkonto eröffnen oder den Führerschein erwerben darf.
Geplantes Szenario: Daten ersetzen Demokratie
In der Broschüre „Smart City Charta“ der Bundesregierung ist zu lesen: „Post-Voting Society. Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehrheitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.“ Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung wird der Weg für diese flächendeckende Totalüberwachung mit hypnotischem Sprachgebrauch freigemacht: „Wir streben an, die Freizügigkeit der Daten als fünfte Dimension der Freizügigkeit zu verankern.“ (Zeile 2.182). Smart City ist der Umbau der Städte von Orten der kommunalen Demokratie zu Orten der zentralisierten Überwachung und Kontrolle.
Datendoppelgänger als neuartiges Über-Ich
Smart City setzt den gläsernen Bürger voraus. Die Risiken dieser Entwicklung beschreibt Norbert Schneider, ehemalige Direktor der Landesmedienanstalt NRW: „Es ist der neue Mensch, lesbar als Träger seiner Daten. Es ist eine neue Anthropologie, entstanden aus einer Art von Aktionsmüll, einem Rechenfutter, aus dem die Rechner dann im Auftrag Dritter Gold machen. Doch an diesem Punkte wird die neue Anthropologie prekär. Der Mensch als Datenträger wird, indem er lesbar gemacht wird, auch steuerbar, vorhersehbar, kontrollierbar.“ Wir befinden uns mitten in diesem Umbruch. Descartes „Ich denke, also bin ich“ mutiert zum „Meine Daten definieren, wer ich bin“. Der in Echtzeit aktualisierte Datendoppelgänger ist lebenslang das maßgebliche „Ich“ für Behörden, Erziehungsinstitutionen, Geheimdienste, Krankenkassen, Warenhäuser, Banken und Personalabteilungen.
Das schweizerische Gottlieb-Duttweiler-Institut (GDI) prognostiziert in seiner Studie „Die Zukunft der vernetzten Gesellschaft“, dass das Daten-Ich zum Avatar und lebenslangen Über-Ich wird: „Algorithmen nehmen uns immer öfter das Suchen, Denken und Entscheiden ab. Sie analysieren die Datenspuren, die wir erzeugen, entschlüsseln Verhaltensmuster, messen Stimmungen und leiten daraus ab, was gut für uns ist und was nicht. Algorithmen werden eine Art digitaler Schutzengel, der uns durch den Alltag leitet und aufpasst, dass wir nicht vom guten Weg abkommen.“
Über den „guten Weg“ haben die Herrschenden klare Vorstellungen: Zur Wallfahrtsstätte des Bürgers soll die Shopping-Mall werden. Für die Konditionierung auf den Konsum wird jetzt mit dem Smart Home, der vollvernetzten Wohnung, als Keimzelle der Smart City das elektronische Panoptikum geschaffen. Mit Lautsprechern übernehmen Google (Google Home) und Amazon (Echo Dot) im Smart Home die interaktive Vollzeitbetreuung. Über die Lautsprecher hören sie – und auch gleich die Geheimdienste – alle Gespräche mit und aktualisieren das digitale Profil. Amazons Algorithmus filtert daraus die nächsten Bedürfnisse und Wünsche. In Dave Eggers Roman „Der Circle“ heißt es: „Die realen Kaufgewohnheiten von Menschen waren jetzt wunderbar nachzuverfolgen und zu messen, und das Marketing für diese realen Menschen konnte mit chirurgischer Präzision erfolgen.“
Überwachung, Steuerung, Demokratieabbau
Steuerungsmethoden für die digitalisierte Machtausübung in der „Post-Voting Society“ werden mit Hochdruck entwickelt. Das GDI sieht in ihnen Modelle zukünftiger Politik: „Staats- und Unternehmensführer erhalten neue Werkzeuge, ‚Sozioskope‘ (soziale Teleskope), mit denen das menschliche Zusammenleben erstmals in seiner ganzen Komplexität erfasst werden kann. Durch die neue Technologie werde es möglich, die Gesellschaft gleichsam mit dem Auge Gottes zu betrachten, schreibt der MIT-Professor Sandy Pentland in seinem Buch ‚Social Physics‘. Das präzisere Abbild eines sozialen Systems soll in der Folge auch eine schnellere, präzisere Steuerung und Kontrolle der Gesellschaft ermöglichen.“
Politische Kontrolle will vom Untertanen alles wissen, will soziale Bewegungen in Echtzeit erfassen und braucht Werkzeuge, um sie zu manipulieren. Die Herrschenden erwarten angesichts von Klimakatastrophen, Flüchtlingswanderungen, Massenentlassungen durch Industrie 4.0 und dem Zusammenbruch ganzer Industriezweige soziale Unruhen, die mit neuen Methoden im Ansatz verhindert werden sollen. In der Smart City sei kein Raum für Protest; weil „polizeiliche Aufgaben an technologische Systeme wie algorithmische Agenten, Robotik und Sensoren delegiert werden, werden Möglichkeiten für Dissens und Protest minimiert“, schreibt der Journalist Adrian Lobe in der „Neuen Zürcher Zeitung“.
Vor dem Weg in diesen digitalen Totalitarismus warnt Armin Grunwald, Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung im Deutschen Bundestag (TAB): „Aus dieser Infrastruktur, die um uns herum entstanden ist, noch einmal rauszukommen, noch umzusteuern, das wird schwer. Und noch eins: Zu keiner Zeit in der Menschheitsgeschichte hat es derart gute Bedingungen für eine totalitäre Diktatur gegeben wie heute. Was Hitler an Propaganda-Möglichkeiten, was die Stasi an Überwachungsapparat hatte, ist Kinderkram gegen das, was heute möglich ist.“
Die Überwachung wird in der Smart City zum allgegenwärtigen Über-Ich. Die Daten für die eigene Überwachung, die ja bisher nur bei strafrechtlich relevantem Verhalten zulässig war, liefert der Smartphone-Nutzer freiwillig. Die Entdemokratisierung und Aufhebung der Privatsphäre erfolgen schleichend. Es ist eine Freiheitsfalle, weil die Repression nicht offen ist. In der Post-Voting Society ist die Diktatur smart und effektiv. Im Gegensatz zu bisherigen Diktaturen, so der Soziologe Harald Welzer, schafft die Digitalisierung „ein viel unauffälligeres und zugleich wirksameres Machtmittel, nämlich die Beherrschung des Rückkanals, also aller Reaktionen auf die Angebote und Entwicklungen der smarten Diktatur. Solche Herrschaft kann kontrollieren, was die Beherrschten selbst zu sein glauben und sein wollen. Das ist herrschaftstechnisch die innovativste Übergangszone ins Totalitäre. Das kannten wir noch nicht.“ Eine Meisterleistung der Psychopolitik und des Marketings. „Sie sind die Laborratte, die die Daten liefert, mit deren Hilfe Sie manipuliert werden.“
Der Internetpionier Jaron Lanier gesteht, das Internet sei von Anfang an unter Ausnutzung der Kenntnisse der Neurobiologie über Suchtmechanismen und des Behaviorismus über Konditionierung konzipiert, als eine „unaufhörliche Verhaltensmodifikation in gigantischem Umfang“. Er zitiert den früheren Facebook-Vizepräsidenten Chamath Palihapitiya: „Die von uns entwickelten, schnell reagierenden, dopamingetriebenen Feedbackschleifen zerstören, wie die Gesellschaft funktioniert.“ Kein Zufall, so Lanier, dass die Kinder dieser Manager im Silicon Valley Waldorf Schulen besuchen, „an denen elektronische Geräte prinzipiell verboten sind“. Eltern wollen gesunde Kinder.
Und dann auch noch: Elektrosmog
In Echtzeit immer über jeden Bürger informiert zu sein, ist eine Smart City-Zielvorgabe. In der Stadt Ravensburg sollen an allen 7.000 Laternenmasten 5G-Sender installiert werden, um die Outdoor-Erfassung der Daten lückenlos zu verwirklichen. Zu den Millionen neuen kleinzelligen 5G-Sendern für das autonome Fahren und die SmartHomes kommen die kostenlosen WLAN-Netze. Das erhöht die Belastung durch elektromagnetische Felder (EMF) enorm, insbesondere durch die Nutzung der Endgeräte. Es lässt sich nicht mehr in die esoterische Ecke abschieben. Es gibt in der WHO-Referenzdatenbank EMF-Portal zu allen Frequenzen (GSM, UMTS, LTE, 5G, TETRA, Bluetooth und WLAN) zum Stand November 2017 insgesamt 1.430 Studien. Nach der Auswertung von „diagnose:funk“ zeigen rund 800 davon biologische Effekte, 400 sind auf www.EMFData.org dokumentiert.
Die Studienergebnisse werden immer besorgniserregender. 2011 gruppierte die IARC, die Krebsagentur der WHO, die nichtionisierende Strahlung in die Kategorie 2B „möglicherweise Krebs erregend“ ein – in dieselbe Kategorie wie DDT und Autoabgase. Seit 1990 haben über 80 Studien DNA-Strangbrüche (Erbgutveränderungen) durch EMF nachgewiesen. Groß angelegte Studien der österreichischen AUVA-Versicherung und der US-Gesundheitsbehörde bestätigen das Krebsrisiko. Das Forscherteam um Laura Falcioni am italienischen Ramazzini-Institut konnte die Ergebnisse 2018 bestätigen. Sie wies an fast 2.500 männlichen und weiblichen Ratten nach lebenslanger Bestrahlung mit 1.800 MHz (2G-Netz) erhöhte Raten von Schwannomen des Herzens und von Gliomen nach. Neueste Forschungsergebnisse über die Handynutzung bei Vieltelefonierern (1.640 Stunden kumuliert) über mehr als 20 Jahre zeigen ein bis zu fünffach erhöhtes Krebsrisiko. Das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat diesbezügliche Studien überprüft und erklärt, dass eine krebspromovierende Wirkung von EMF als gesichert angesehen werden muss. Die Effekte traten weit unterhalb der Grenzwerte auf.
Der Studienlage zu WLAN kommt eine besondere Bedeutung zu, weil es eine der meistgenutzten Frequenzen (2,45 GHz) ist. Bereits 2014 wurde auf hoher wissenschaftlicher Ebene, im Springer Reference-Book „Systems Biology of Free Radicals and Antioxidants“ in der Metastudie zu WLAN von Mustafa Nazıroğlu und Hatice Akman, darauf hingewiesen, dass gerade auch schwache WLAN-Strahlung gesundheitsschädlich ist. Die Autoren wiesen bereits als Schädigungsmechanismus oxidativen Zellstress nach. Im Januar 2018 erschien der bisher größte Review „Biologische und pathologische Wirkungen der WLAN/WiFi-Strahlung von 2,45 GHz auf Zellen, Fruchtbarkeit, Gehirn und Verhalten“ von Isabel Wilke in der Zeitschrift „Umwelt – Medizin – Gesellschaft“ (Ausgabe 1/2018) mit einer Auswertung von mehr als 100 Studien, die schädigende Effekte u. a. auf Spermien, Embryos und Gehirnfunktionen nachweisen.
Die neue 5G-Technologie mit weltweit Millionen neuer Sendeanlagen wird die Gesundheitsrisiken erhöhen. In einem in der Fachzeitschrift „International Journal of Radiation Oncology“ veröffentlichten Brief appellieren die beiden US-amerikanischen Radioonkologen Shearwood McClelland und Jerry J. Jaboin an ihre Kollegen: „Angesichts der anzunehmenden Verdoppelung der Dosis der Exposition durch 5G hat ein weltweites Konsortium von Ärzten und Wissenschaftlern aus Sorge um die Sicherheit ein Moratorium für die Einführung von 5G empfohlen, bis zu weiteren Sicherheitsuntersuchungen. Welche Rolle spielt die medizinische Gemeinschaft (insbesondere die Radioonkologie) in diesem Bereich? Sollen wir schweigen oder uns nur auf die verbesserte Pflege unserer unmittelbaren Patienten konzentrieren? Oder haben wir eine Verantwortung, unsere klinischen Kenntnisse der Strahlensicherheit und -wirksamkeit zu nutzen, um zu verhindern, dass der Unternehmensgewinn vor allem anderen bestimmt, welche Strahlenexpositionen der kabellosen Netzwerke akzeptiert werden?“
Mehr Nachhaltigkeit? Von wegen!
Smart Home, Smart City, Smart Meter, Smart Grid, Smart Mobility, 5G und WLAN-Netze – sie alle werden von Industrie und Bundesregierung als notwendig für eine vernetzte, energieeffiziente Versorgung propagiert. Das Gegenteil ist der Fall. Das Internet der Dinge hat fatale ökologische Folgen: „Wirtschaft und Politik sehen in der Digitalisierung in erster Linie einen neuen Wachstumsmotor. Allein vom Internet der Dinge erwartet man in den nächsten zehn Jahren in Deutschland 30 Mrd. Euro zusätzliche Gewinne für die Industrie und ein Prozent Wachstum pro Jahr. Aus ökologischer Sicht ist das fatal. Mehr Wachstum bedeutet, dass mehr produziert und verbraucht wird“, schreibt der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Tilman Santarius.
Der Energieverbrauch wird durch den Ausbau der Mobilfunkinfrastruktur explodieren. Darauf weist Josef Lutz, Professor an der TU Chemnitz, hin: „Im Jahr 2006 wurden bereits 10 % des Stroms auf der Welt von der Informationstechnik verbraucht, mit der Perspektive eines starken Anstiegs. 2017 gehe ich eher von mehr als 15 % aus. Die ‚Kitakyushu Research Group for Sustainability‘ schätzt: Bis 2025 wird der Datenverkehr um den Faktor 200, der benötigte Stromverbrauch um den Faktor 5 zunehmen. 5 x 15 % = 75 % mehr Stromverbrauch? Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit wäre das eine Katastrophe.“
In einer weiteren Analyse schreibt Lutz: „Jüngere Meldungen in Bezug auf die Internet-Währung Bitcoin sind alarmierend. Demnach benötigt das Bitcoin-Netzwerk jährlich 32 TWh Strom – in etwa so viel wie der Staat Dänemark verbraucht. Und es ist zu erwarten, dass das Bitcoin-Netzwerk bei den derzeitigen Wachstumsraten bis Anfang 2020 so viel Strom verbrauchen wird, wie die ganze Welt heute verbraucht. Auch die als modern geltende Mobilfunktechnik trägt zu hohem Stromverbrauch bei – weniger in den vielen Smartphones, sondern vor allem in den Basisstationen. Beispielsweise entnimmt eine große Telekommunikations-Basisstation der Sendeleistung von 120 W Leistungsaufnahme eine Leistungsaufnahme von mehr als 10 kW aus dem elektrischen Netz. Daraus errechnet sich ein Systemwirkungsgrad von 1,2 %. Das ist aus ingenieurtechnischer Sicht alles andere als modern, eher peinlich.“ Nachhaltigkeit sei das wichtigste Kriterium und Pläne, die dazu in Widerspruch stünden, seien kein Fortschritt für die Gesellschaft, betont Lutz und fordert ein Umdenken.
Milliarden vernetzter Geräte der Internets der Dinge werden den Energie- und Ressourcenverbrauch dramatisch in die Höhe treiben. Die riesigen Datenmengen brauchen Energie. Heute liegt der Energieverbrauch der IKT-Technologien am globalen Stromverbrauch bei 10 %, bis 2030 wird sein Anteil auf mehr als 30 % steigen. Die Rechenzentren des Internets stoßen heute wahrscheinlich schon so viel CO2 in die Luft aus wie der gesamte globale Luftverkehr. Momentan werden so viele Menschen und Geräte vernetzt, dass die globale Kommunikation bis 2025 nach aktuellen Schätzungen mehr CO2-Emissionen erzeugen wird als jedes Land – mit Ausnahme von China, Indien und den USA.
Der BUND hat 2018 eine Studie zum Energieverbrauch der Haushaltsgeräte veröffentlicht und zeigt sich alarmiert: „Die zunehmende Vernetzung von Haushaltsgeräten birgt große ökologische Risiken. Der Trend wird zu einem Mehrverbrauch an Energie und anderen Rohstoffen führen, wenn die Politik nicht rechtzeitig durch geeignete Maßnahmen gegensteuert“, kommentiert BUND-Energieexpertin Irmela Colaço die Ergebnisse. „Sind Haushaltsgeräte rund um die Uhr empfangsbereit, um auf Sprachbefehle oder Signale anderer Geräte zu reagieren, kann das Umwelt und Verbraucher teuer zu stehen kommen. Die Stromrechnung eines Haushalts kann um bis zu 100 Euro pro Jahr steigen“, warnt Ralph Hintemann, einer der Studienautoren. „Europaweit kann sich dieser Mehrverbrauch langfristig auf 70 TWh pro Jahr summieren. Das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch aller privaten Haushalte Italiens.“
Jedes Jahr ein neues Smartphone. Weil die digitalen Geräte nahezu jeder nutzt, ist der Ressourcenverbrauch gigantisch. Der ökologische Rucksack eines Smartphones beträgt 75 kg, fast 500-mal schwerer als das Gerät selbst. Allein für die deutschlandweit im Jahr verkauften Smartphones entsteht ein Naturverbrauch von 125.000 Lkw-Ladungen, der jährliche weltweite Elektroschrott der IT-Geräte summiert sich auf 46 Megatonnen, das entspricht einer Schrotthalde aller 46 Mio. Autos in Deutschland. Fast alle Rohstoffe werden unter menschen- und gesundheitsunwürdigen Arbeitsbedingungen gewonnen – auch durch Kinder, wie z. B. bei der Coltan-Produktion im Kongo. Brutale Rohstoffkriege werden dafür geführt. Unser Lebensstil und Konsumverhalten externalisieren die Zerstörung.
Wollen wir in einem smarten Überwachungsstaat, in einer Post-Voting Society leben, Energie und Ressourcen verschleudern, nur weil es bequem und technischer „Fortschritt“ ist? Warum blockiert die Faszination der digitalen Medien eine kritische Debatte über die globalen Risiken? Höchste Zeit, über diese Nebenwirkungen zu diskutieren und über Alternativen nachzudenken. Eine Herausforderung, vor allem für IT-Ingenieure.
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