Ökolumne

Die neue digitale Welt

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Das Bürokratiemodell nach Max Weber war darauf ausgerichtet, Willkür zu unterbinden und eine auf Gesetzen basierende Herrschaft zu gewährleisten. Aber diese Struktur der Exekutive könnte sich langsam auflösen. Die reale Welt von heute und ihr digitales Abbild sind bisher nur lose miteinander verknüpft. Aber staatliches Handeln wird zunehmend über digitale Plattformen abgewickelt. Der Vorteil ist ein Behördenservice unabhängig von Zeit und Ort, wie bei E-Mails, die ohne die Briefpost funktionieren.  

Die zunehmende Verfügbarkeit von Echtzeitinformationen über die Bürger und eine zunehmende Integration unserer Umwelt in eine vernetzte Umgebung nehmen mit der Verbreitung von Smartphones und anderen smarten Objekten immer weiter zu. Sie werden zu einer Quelle eines fortwährenden Datenstroms über das Verhalten der Bürger und seinen momentanen Standort. Und sie werden immer mehr für gezielte Zugriffe des Staates verwendet. Auch die dafür notwendigen Entscheidungen können in Algorithmen ausgelagert werden. Selbst die Evaluation über die Eignung von Maßnahmen kann über Echtzeitinformationen über das tatsächliche Verhalten der Bürger und die realen Auswirkungen auf ihre Umwelt ausgelagert werden. Mit der aufkommenden Blockchain-Technologie kann man Verträge und deren Durchsetzung neu organisieren, einsehbar speichern, automatisch aktualisieren, verschlüsseln und mit der gesamten bisher getätigten Transaktionshistorie aller Teilnehmer kettenartig verknüpfen. Unterschiedlichstes Datenmaterial kann zusammengeführt und ausgewertet werden. Damit kann Behördentätigkeit weiter automatisiert werden.

Doch unabhängig von den vielen neuen Möglichkeiten gilt: Die Speicherung der Verkehrs- und Standortdaten nach dem deutschen Telekommunikationsgesetz ist verfassungs- und europarechtswidrig. Der Europäische Gerichtshof hat die Vorratsdatenspeicherung gekippt. Trotzdem versuchen Innenpolitiker immer wieder die Überwachung auszuweiten. In den Landespolizeigesetzen, wie jetzt in Bayern beschlossen und in NRW und Niedersachsen geplant, versucht die CDU/CSU bereits beim Verdacht einer drohenden Gefahr die Bürgerrechte und den Datenschutz abzubauen.

Die Polizei soll immer weitere Rechte bekommen: unbegrenzte Vorbeugehaft, offiziellen und heimlichen Datenzugriff, Abhören und Kontrolle von Wohnungen und Handys. Hinzu kommt die Beobachtung mit Drohnen, die automatische Gesichtserkennung, die Einführung eines verfassungswidrigen Gefährderstrafrechts, gemeinsame Datenbanken zwischen Polizei und Geheimdiensten. Der Staat löst sich so von seinen rechtsstaatlichen Strukturen. Da kommt nur wenig Heimatgefühl auf. Das werden sicher auch die Wähler so sehen und den Polizeistaat abwählen. In München haben an Christi Himmelfahrt 30.000 Bürger gegen das bayerische Polizeigesetz demonstriert. „Privatsphäre ist ein Menschenrecht. Die Privatsphäre ist ein Abwehrrecht der Bürger gegenüber dem Staat. Diese Rechte wurden nicht für die Eliten geschaffen. Das Überwachungssystem existiert, um die Eliten zu schützen“, sagte Edward Snowden.

Es ist nicht alles schlecht an der IT-Welt. Das Internet macht Wissen für jeden zugänglich, der Fragen stellt. Die Digitalisierung senkt die Inflation, da die Internethändler vor allem über den Preis konkurrieren. Und die EU-Kommission fordert eine Digitalsteuer, die auf den Umsatz im Zielland fällig werden soll. Der Mensch ist sehr gut in der Lage, die Ausweitung seines eigenen Wirkungskreises in einem virtuellen Umfeld auszuüben. Die Gefahr darin liegt vor allem in der Möglichkeit, über die eingesetzte Technik das Feedback des gesteuerten Prozesses so manipulieren zu können, dass sich der zu steuernde Prozess der Kontrolle des eigentlichen Nutzers entzieht. Wie das funktioniert, kann man bei jedem Onlinespiel beobachten.

Der Rechtsstaat hat sich an überprüfbaren Tatsachen zu orientieren. Wir sollten misstrauisch sein und nicht darauf vertrauen, dass sich Gerechtigkeit automatisch einstellt.

 

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