Als das Ergebnis feststand brach großer Jubel aus. Foto: ÖDP München.

Kommunal

München ist „Raus aus der Steinkohle“!

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Eine geplatzte Koalition, ein Bürgerbegehren und schließlich der (lokale) Kohleausstieg. So in etwa lassen sich die letzten zwei Jahre der Münchner ÖDP zusammenfassen. Klingt gar nicht so schwierig, oder? Ganz so einfach war es freilich nicht.

Foto: ÖDP München.

Nach den Stadtratswahlen 2014 in München bot sich der ÖDP, die sich im Vergleich zum Vorjahr um 0,8 % verbesserte, die Möglichkeit, gemeinsam mit SPD und den Grünen die Regierung der bayerischen Hauptstadt zu stellen. Bedingung war damals der fixe Kohleausstieg bis zum Jahr 2022. Das war mit der SPD nicht zu machen und auch der Grünen-Fraktion ging das zu schnell. Dass das Thema Klimaschutz in diesem Ausmaß für sie nicht verhandelbar ist, bewies die ÖDP und beendete die Verhandlungen, um in die Opposition zu gehen und andere Wege zu finden. Besonders pikant ist das vor dem Hintergrund der aktuellen Jamaika-Verhandlungen, in denen die Grünen kaum Zeit verloren, eine Regierungsbeteiligung dem Kohleausstieg vorzuziehen.

Die ÖDP entschied sich gegen das Prestige einer Regierungspartei und wählte den steinigen Weg eines Bürgerbegehrens. Das bedeutete zunächst vor allem zweierlei: Mobilisierung und Aktivismus.
Mobilisiert wurde alles, was Rang und Namen in der Szene der Umweltschützer hat. Attac, Fossil Free München, Protect the Planet und sogar die Linken und etliche weitere.
Der zweite, noch grundlegendere Teil erforderte etwa 34.000 Unterschriften. „In Zeiten des Internets kein Problem“, mag man sich denken, doch leider müssen diese 34.000 Unterschriften persönlich gesammelt werden. Das bedeutet bei Wind und Wetter raus auf die Straße, an die Isar, in den Englischen Garten und Menschen ansprechen „Darf ich Sie kurz stören?“, „Sind Sie Münchner?“, „Kennen Sie schon das Steinkohlekraftwerk in Unterföhring?“. Nicht jeder reagiert freundlich, viele Menschen fühlen sich belästigt, in ihrer Privatsphäre gestört. Doch das Thema Steinkohle bewegt und langsam, aber sicher geht es voran.

Im Sommer 2017 ist es geschafft. Die Unterschriftenlisten werden eingereicht und der Endspurt beginnt: Zwei Wochen ist noch Zeit, Listen nachzureichen, und niemand weiß, wie viele Unterschriften der bisher abgegebenen tatsächlich gültig sind. Sind es nicht genug, waren die letzten zwei Jahre für die Katz. Eine Woche vor Ende der Nachreichfrist der erste große Erfolg: Die Münchner Grünen wollen die Seiten wechseln und dem Bündnis beitreten. Obwohl sie sich im Vorfeld nicht mit Ruhm bekleckert haben, werden sie aufgenommen und leisten im kommenden Wahlkampf noch ihren Beitrag, denn: Es reicht. Das Bürgerbegehren wird zum Bürgerentscheid und die Stadtregierung aus CSU und SPD ist gezwungen, einen Termin festzulegen. Bis dahin hatte man die kleine ÖDP, die bei der vergangenen Bundestagswahl mit 0,3 % nicht einmal die Bundes-Parteienfinanzierung ergattern konnte, entweder ignoriert oder belächelt. Nun wurde man nervös.

Gemeinsam mit dem Bündnis zog die ÖDP in den Wahlkampf. Neben den obligatorischen Wahlplakaten machten Mitglieder des Bündnisses, dessen geringes fünfstelliges Budget nun den millionenschweren Stadtwerken gegenüberstand, durch viele Guerilla-Marketing-Aktionen auf den anstehenden Bürgerentscheid aufmerksam, während kein Briefkasten vor Flyern sicher war. Die Presse für den frühen Kohleausstieg ließ zunächst auch zu wünschen übrig. Sogenannte Faktenchecks lokaler und überregionaler Tageszeitungen, zu deren größten Anzeigenkunden die Stadtwerke München zählen, dämpften die Euphorie zeitweise.

Foto: ÖDP München.

Dann war es so weit. Nach einer gefühlten Ewigkeit, etlichen Podiumsdiskussionen und nervenaufreibenden zwei Jahren kam der 05.11.2017. Meinungsumfragen gab es keine und die Voraussetzungen für einen gültigen Bürgerentscheid sind denkbar hart: 10 % aller wahlberechtigten Bürger müssen der Ja-oder-Nein-Frage zustimmen und selbstverständlich benötigt man die Mehrheit. Während Initiator Michael Schabl (aka Kohle-Michl) am Wahlabend euphorisch eine Wahlbeteiligung von 20 % und 70 % Mehrheit voraussagte, sprach der Münchener ÖDP-Vorsitzende Thomas Prudlo von einem „unguten Bauchgefühl“.

Die ersten Hochrechnungen ergaben: 58 % für den Kohleausstieg, 42 % dagegen. Erster Jubel brach aus, doch die nötige Wahlbeteiligung war noch nicht erreicht. Im Laufe des Abends verbesserte sich das Ergebnis auf über 60 % Zustimmung und als Thomas Prudlo schließlich „Der Trend ist nicht mehr zu brechen!“ in den Saal rief, brach der große Jubel aus. Die Kameras der anwesenden Journalisten blitzten und wir wussten, dass wir einen riesigen Stein ins Rollen gebracht hatten und kamen aus dem Grinsen und Lachen nicht mehr raus. Mehr als zwei Jahre Schweiß und Tränen und am Ende der Sieg der Kleinen gegen die Großen.

Einmal mehr beweist die ÖDP, dass eine gut organisierte Kleinpartei mit genug Engagement, tatkräftigen Leuten und den richtigen Partnern Berge (oder Kohlekraftwerke) versetzen kann.

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