Ein Bargeldverbot und die Konsequenzen
16. April 2017
Vor knapp zwei Jahren forderte der Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger die Abschaffung des Bargeldes in Deutschland. Immer öfter wird dieser Vorschlag diskutiert und ich frage mich, was hinter dieser Idee steckt und was ein Bargeldverbot für Konsequenzen hätte.
Zunächst einmal die offiziellen Gründe, die für ein Bargeldverbot ins Feld geführt werden: Wenn es kein Bargeld mehr gibt, könne man der Korruption, dem Drogenhandel und dem Terrorismus den Boden entziehen, da viele dieser Geschäfte bar abgewickelt werden. Zudem würde Schwarzarbeit erschwert und Banküberfälle überflüssig.
Ich aber denke, dass Bargeld als Schmiermittel in Politik und Wirtschaft wahrscheinlich eine geringe Rolle spielt und Korruption als Möglichkeit, um Einfluss zu nehmen, auch ganz andere Wege gehen kann: Pöstchengeschacher, Aufnahme in einflussreiche Netzwerke, Eintrittskarten zu exklusiven Veranstaltungen, teure Uhren als Geschenk, etc.. Ob Drogenhandel und Terrorismus wirklich so sehr auf Scheine angewiesen sind, vermag ich nicht zu beurteilen. Dass die Anzahl der Banküberfälle in den letzten Jahren zurückgegangen ist, ist indes eine Tatsache, denn durch Zeitschlösser und ähnliches wird es immer komplizierter, eine Bank auszurauben. Schwarzarbeit gibt es sicherlich auch ohne Bargeld, irgendwie können sich Arbeitgeber auf irgendeine Art sicherlich am Fiskus vorbeischmuggeln. Am Beispiel Schweden, in dem kaum noch mit Bargeld bezahlt wird, weil viele Geschäfte und Restaurants auf EC- oder Kreditkarte umgestellt haben, kann man dies beobachten. Im Jahr 2012 wurden dort durch Schwarzarbeit rund 50 Milliarden Euro an der Steuer vorbeigeschleust.
Was sind die Konsequenzen eines Bargeldverbotes?
Fangen wir mit vermeintlichen „Kleinigkeiten“ an: Wie wird es der Straßenmusikerin oder dem Verkäufer der Obdachlosenzeitung gehen, wenn diese keine Münzen mehr annehmen können, weil sie aus dem Verkehr gezogen sind? Wird man für jede kleine Spende seine EC-Karte in ein Lesegerät stecken, mit dem auch Straßenmusiker und Obdachlose ausgerüstet sein werden?
Was ist mit Menschen, die kein Girokonto besitzen? Zwar gibt es seit einigen Jahren eine freiwillige Selbstverpflichtung der Banken, jedem Bürger/jeder Bürgerin ein Girokonto zu gewähren, aber dennoch hatten im Jahr 2013 rund 670.000 Menschen in Deutschland kein Girokonto. Wie sollen diese Menschen ihre Geschäfte abwickeln oder ihre Einkäufe erledigen?
Auch würde ein Bargeldverbot Menschen treffen, die nicht oder nur kaum lesen oder schreiben können. Ihnen fällt es dann sehr schwer, eine Überweisung auszufüllen oder Online-Banking zu machen. Rund 2,5 Millionen Menschen in Deutschland können nur einzelne Worte schreiben, aber ganze Sätze weder schreiben noch lesen.
Was passiert, wenn es – bedingt durch Terroranschläge oder Naturkatastrophen – Probleme mit der Stromversorgung gibt? Dann funktionieren Karten-Lesegeräte nicht mehr und die Bürger können sich im Supermarkt nicht mehr mit den nötigsten Gütern eindecken.
Und wie können sich Bürger schützen, wenn z. B. eine Finanzkrise kommt und eine Pleite der eigenen Bank droht? In Griechenland sind finanzielle Transaktionen stark eingeschränkt, weil man Angst hat, dass die Bürger ihr Geld von den Finanzinstituten abziehen, indem sie es woanders hin überweisen oder bar abheben und unter das Kopfkissen stecken. Ein Bargeldverbot bedeutet auch, dass sich Finanzkrisen noch schneller ausbreiten können, weil Geld ohne Gegenwert noch abstrakter wird und die Geldschöpfung noch unkontrollierter geschehen kann.
Aus meiner Sicht ebenfalls wichtig ist der Gedanke, dass man Barausgaben besser unter Kontrolle hat als bargeldlose Ausgaben. Wer schon kleine Beträge mit Karte bezahlt, wird am Ende des Tages oder der Woche weniger gut wissen, wie viel er für welche Güter ausgegeben hat, als jemand, der alles oder den Großteil in Münzen oder Scheinen bezahlt hat. Über zwei Millionen deutsche Privathaushalte waren im Jahr 2015 überschuldet und konnten ihre Verpflichtungen gegenüber Gläubigern nicht erfüllen. Diese Privatverschuldung wird sicherlich weiter steigen, wenn selbst Kleinstbeträge mit Karte bezahlt werden müssen, weil Bargeld nicht mehr verfügbar ist. Möglicherweise ist es ein Ziel der Befürworter der Bargeldabschaffung, dass so der Konsum weiter angekurbelt wird und somit das Wirtschaftswachstum steigt.
Zu guter Letzt führt ein Bargeldverbot auch dazu, dass der private Konsum kontrolliert werden kann. Wenn man also Alkohol, Tabak oder Medikamente kauft, kann das alles dem Käufer per EC- oder Kreditkarte zugeordnet werden. Der Gedanke, dass diese Einkäufe dann an die Krankenkasse oder den Arbeitgeber gemeldet werden, liegt nahe. Wer kann garantieren, dass diese Daten nicht eines Tages geleakt und verbreitet werden? Und gibt es nicht schon jetzt Modelle bestimmter Krankenkassen, dass sich „Wohlverhalten“ und Transparenz des Versicherten finanziell auszahlen? Schöne, neue Welt. Da möchte ich lieber weiterhin meinen Rotwein und meine Schokolade bar bezahlen können, ohne Angst vor dem Anruf meiner Krankenkasse.
Sollte es wirklich auf ein Bargeldverbot hinauslaufen, dann hoffe ich sehr auf einen öffentlichen Aufschrei in der Bevölkerung und eine starke Bewegung von Bürgern und Bürgerinnen, die sich diesem Vorhaben entgegenstellen.