Bauen & Verkehr

Sand, ein knappes Gut

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Unsere Rohstoffe sind nur begrenzt vorhanden. Ihre Vorkommen gehen irgendwann zur Neige – und dann wird es problematisch. Das gilt auch für einen Rohstoff, bei dem man dies gar nicht vermutet: Sand. Er wird von vielen Branchen benötigt, vor allem aber von der Bauindustrie zur Herstellung von Beton. Sein Abbau wird immer aufwendiger und umweltschädlicher.

von Kiran Pereira

Was ist der meistgebrauchte Rohstoff der Erde? Die Antwort mag überraschen und ist doch naheliegend: Sand und Kies. Diese Zuschlagstoffe, wie sie in der Baubranche genannt werden, haben in puncto Ressourcenverbrauch inzwischen sogar das Wasser überholt. Die Menschen denken über Sand nicht viel nach, es sei denn, sie planen gerade ihre nächsten Ferien am Meer. Und doch ist dieser Rohstoff so dominant und allgegenwärtig wie kein anderer. Sand wird nicht nur zur Herstellung von Glaswaren, Fensterscheiben und natürlich Beton verwendet, er steckt auch in Zahnpasta und Kreditkarten, in Mobiltelefonen, Computern und anderen Geräten, die unsere hypervernetzten Gesellschaften am Laufen halten.

Seit jeher gilt Sand als Symbol für unendliche Mengen: „wie Sand am Meer“. Doch nicht alle Sande sind wirtschaftlich nutzbar. Die Körnchen des Wüstensands sind zu rund und zu glatt zum Bauen und der von Meerwasser überspülte Sand muss erst aufwendig aufbereitet und vollständig entsalzt werden. Da aber der Sand aus Flussbetten und Kiesgruben allmählich zur Neige geht, deckt die boomende Bauwirtschaft ihren Bedarf auch zunehmend mit Meeressand.

Sandbau am Beispiel Australien

Zu den bekanntesten Abbaustätten gehört North Stradbroke Island im Nordosten Australiens. Die zweitgrößte Sandinsel der Welt (die größte ist die nahe gelegene Fraser Island, die zum Naturwelterbe gehört) liegt nur 40 km von Brisbane entfernt und ist ein beliebtes Touristenziel. North Stradbroke Island ist großenteils Naturschutzgebiet und besteht zur Hälfte aus Feuchtgebieten, die eigentlich durch die Ramsar-Konvention geschützt sind. Hier liegen aber auch die beiden größten Sandabbaugebiete der Welt, ausgebeutet von Sibelco, einem belgischen Multi für mineralische Rohstoffe, der im Jahr 2000 seine Tätigkeit in Australien und Neuseeland aufgenommen hat.

Aus dem Sand von North Stradbroke Island werden vor allem die Mineralien Rutil, Zirkon und Ilmenit (Titaneisen), aber auch Silika (Siliziumdioxid) gewonnen. Die Minen reichen bis in 100 m Tiefe und damit weit unter den Grundwasserspiegel, graben also den angrenzenden Feuchtgebieten buchstäblich das Wasser ab. Die Inselbewohner beklagen, dass die Regierung von Queensland die Umweltschutzbestimmungen nie durchgesetzt hat. Die Proteste der indigenen Bevölkerung haben in der Gegend eine lange Tradition, doch der Druck der Industrie ist stärker.

Hoher Bedarf, niedriger Preis

Sand ist ein „hegemonialer“ Rohstoff, zu dem es gegenwärtig praktisch keine Alternativen gibt. Auch fehlen die Anreize zur Entwicklung solcher Alternativen, weil ökonomisch nutzbarer Sand nach heutigen Marktpreisen stark unterbewertet ist. Die wichtigsten Kostenfaktoren bei der Sandgewinnung betreffen die Maschinen für den Abbau, den Transport, die Löhne sowie Lizenzgebühren und Pachtzahlungen für das genutzte Gelände (zumindest im Fall legaler Gewinnung). Der Sand selbst kostet dagegen nichts – er ist ein „high volume low value“-Rohstoff. Wenn er knapp wird, holt man ihn sich eben woanders. Das Problem wird lediglich geografisch verschoben.

So läuft es überall – ob in den USA, Australien oder Indien – ähnlich ab, wenn die lokalen Behörden von Politikern und Interessenvertretern derart eingeschüchtert werden, dass sie am Ende den unbegrenzten Sandabbau zulassen – alles im Interesse von Wirtschaftswachstum, nationaler Sicherheit, Fortschritt oder Arbeitsbeschaffung, versteht sich.

Hier ist allerdings anzumerken, dass nicht alle Sandarten für alle Nutzungsformen geeignet sind. Denn Sand muss häufig strenge Kriterien erfüllen – und dann wird das Verhältnis von Angebot und Nachfrage in der Regel sehr volatil. Insgesamt ist davon auszugehen, dass der Sandbedarf aus den drei Bereichen Bau, Mineralindustrie und Fracking in den nächsten Jahrzehnten stabil bleiben wird. Deshalb werden derzeit auch vielerorts neue Sandquellen offshore, also auf dem Meeresboden, erschlossen. Diese Abbaumethode ist extrem teuer, aber technisch möglich. Ihre Auswirkungen auf die Umwelt sind dagegen völlig unerforscht.

Nehmen wir das Beispiel Dubai. Hier sind die Vorkommen an Meeressand erschöpft, das Emirat importiert seinen Bausand derzeit aus Australien. Dabei hat der maßlose Abbau von Meeressand das maritime Ökosystem stark geschädigt. Das beeinträchtigt die Lebensgrundlage der Fischer, weil der Sand am Meeresboden zugleich Substrat und Nährboden für die Mikroorganismen ist, von denen sich die größeren Fische ernähren.

Ökologische Bedeutung

Für Sand gilt – wie für alle natürlichen Rohstoffe –, dass wir seinen Wert für den Erhalt des gesamten Ökosystems in Betracht ziehen müssen. Denn Sand erfüllt Funktionen, die nicht ohne Weiteres zu ersetzen sind, zum Beispiel für die Nahrungsmittelsicherheit in Regionen, wo er als Puffer zwischen den Landmassen und den Ozeanen dient und so agrarische Anbaugebiete vor Sturmfluten schützt – und angesichts des Klimawandels auch vor einem Ansteigen des Meeresspiegels. In vielen Regionen wirkt der Sand als Filter für Wasseradern, die für den Erhalt der Artenvielfalt so unentbehrlich sind wie für die Nahrungsketten in der ozeanischen und terrestrischen Biosphäre.

Immerhin gibt es schon vereinzelt Alternativen zum Sand als Zuschlagstoff bei der Betonherstellung: etwa Schlacken, die bei der Stahlproduktion anfallen, Flugasche, Steinbruchstaub oder aufbereiteter Bauschutt. Zudem laufen Forschungen über Bautechniken, die ganz ohne Beton auskommen. Dass diese Stoffe heute noch nicht verwendet werden, liegt allein daran, dass Sand praktisch umsonst zu haben ist.

Dieser Artikel stammt aus dem „Atlas der Globalisierung“ und darf hier mit freundlicher Genehmigung des Verlags in einer gekürzten Fassung veröffentlicht werden.

 


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Le Monde diplomatique (Hrsg.)
Atlas der Globalisierung
Weniger wird mehr
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