„Wir schaffen das…“
5. Dezember 2016
Liebe Mitglieder,
sehr geehrte Damen und Herren,
können Sie den Satz, an dem sich inzwischen Journalisten, Moderatoren, Politiker und Wähler abgearbeitet haben, noch ertragen? Was geht Ihnen beim Lesen dieser drei Worte mit der Sprengkraft eines mittleren Erdbebens durch den Sinn?
Obwohl schon etwas älter, kann ich mich noch gut an das „Du schaffst das“ meiner Eltern erinnern, als es da-rum ging, die ersten selbstständigen Schritte zu gehen; das erste Mal Rad ohne Stützräder zu fahren; die steile Leiter zu erklimmen; mittels einer wackeligen Hängebrücke einen Abgrund zu überwinden oder mich trotz Prüfungsangst morgens auf den Weg zur Schule zu machen. Das ist alles gelungen, weil ich nicht alleine war mit meiner Angst. Da gab es die Botschaft, ja, die Gewissheit: Du bist nicht allein. Wir sind bei dir; wir helfen dir; wir stehen zu dir.
Selbst später, schon erwachsen, war dieses „Du schaffst das“ noch vonnöten. Bei der nicht leichten Geburt meiner ersten Tochter; bei der ersten Rede vor einem größeren Publikum und anderen Gelegenheiten, die mulmige Gefühle bis hin zu ausgewachsenen Angstattacken ausgelöst haben. Immer war da jemand, der mich stärkte, indem er mir sagte: Du schaffst das und ich lass dich nicht im Stich. Ich habe nicht nur alles geschafft, sondern konnte mit diesem Vertrauen, mit dieser Sicherheit so mancher Herausforderung angstfrei begegnen. Dieses Gefühl ist weiten Teilen der Gesellschaft abhandengekommen, weil sie tagtäglich abgehängt und zu Verlierern gemacht werden.
In diesem „Wir schaffen das“ steckt für mich die Lösung. Schaffen, anpacken, arbeiten, tun … Nicht die teils diffusen Ängste bedienen, sondern als Partei, als Politiker den Bürgerinnen und Bürgern sagen, wir haben verstanden und wir lassen euch nicht alleine. Hören wir auf, die Gesellschaft zu spalten, mit der Angst, Geld zu verdienen oder gar Wählerstimmen zu ködern, und fangen wir endlich an, Tatorte der Zukunftsfähigkeit zu bauen.
„Die Angst ist immer der Anfang – auf dem Weg zur Klugheit.“ (Wilhelm Schmid) Eine Angst ist dem Philosophen noch nicht groß genug, die vor der „ökologischen Katastrophe“. Haben wir nicht mehr zu bieten, als „Da kann man doch eh nichts machen“?
Liebe Freundinnen und Freunde, wer für nichts brennt, der ist nicht nur anfälliger für Ängste, sondern hat es auch schwerer, aus ihnen herauszufinden. Menschen ändern sich angeblich nur aus zwei Gründen: große Schmerzen oder große Ziele. Lasst uns nicht auf das Desaster warten, sondern weiter für unsere großen Ziele brennen, auch wenn die um uns herum als „schwer entflammbar“ gelten.
Ihre
Gabriela Schimmer-Göresz